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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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hinterher.
    »Also, Herr Viehtreiber, es war einmal vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren … Wir waren gerade mal vierTage in Deutschland. Die neue Umgebung war ganz schön ungewohnt, aber das ist ja bei jedem Umzug so. Und wenn man den Kontinent wechselt, dann erst recht.
    Meine Frau Eminanim hatte am ersten Tag sofort die große Badewanne mit Wasser gefüllt.«
    »Osman, gib doch nicht so an! Ich weiß, dass manche Türken sich ab und zu waschen – die weiblichen zumindest!«
    »Doch nicht zum Baden. Sie hat auch alle anderen Behälter mit Wasser gefüllt.
    ›Wenn wir schon mal Wasser haben, muss ich das doch ausnutzen, Osman‹, freute sie sich.
    Erst drei Tage später haben wir erfahren, dass das Wasser in Deutschland nie abgestellt wird.
    ›So eine Verschwendung‹, sagte daraufhin meine Frau.
    Es gab also ständig fließend Wasser, dafür aber so gut wie keinen Kinderlärm, ich fühlte mich hier wie im Paradies! Es war einfach herrlich!«
    »Was denn, dieser alberne Witz mit dem Wasser soll unwerfend komisch sein?«, meckert Meister Viehtreiber.
    »Ach, das doch nicht, das war nur ein kleines Anekdötchen am Rande. Der Knaller kommt jetzt erst, passen Sie auf. Und Zucchinipuffer mit Käsecreme schmecken wirklich köstlich, hauen Sie tüchtig rein. Wo war ich stehen geblieben? Also, wir haben am Tag unserer Ankunft natürlich das gemacht, was alle Umzügler tun, wenn sie in eine neue Wohnung einziehen … Was tun Sie zum Beispiel, Herr Viehtreiber, wenn Sie in eine neue Gegend ziehen?«
    »Die ganzen Kneipen in der Gegend inspizieren, was denn sonst?«
    »Das ist richtig, das mache ich auch, aber erst an zweiter oder dritter Stelle! Was meinen Sie, was wir Türken zuerst machen?«
    »Kinder?«
    »Nein, keine Kinder. Wir können doch nicht für jede neue Wohnung ein neues Kind machen. Stellen Sie sich vor, ich würde dreiundvierzig Mal umziehen!«
    »Na, so viel fehlt ja bei dir nicht«, lacht er.
    Und trotzdem willst du mich vor die Tür setzen, du gewissenloser Schurke! Wie soll ich denn für die ganzen dreiundvierzig armen Kinder sorgen?
    »Kosten Sie noch mal so einen Frauennabel. Die sind so süß, sage ich Ihnen. Na ja, wie dem auch sei, Herr Viehtreiber, wir haben also gleich am ersten Tag angefangen, auf den Besuch unserer deutschen Nachbarn zu warten. In der Türkei ist es so üblich, dass neu eingezogene Mieter von den Nachbarn am Tag nach dem Umzug besucht werden und kleine Willkommensgeschenke überreicht bekommen. Am nächsten Tag ziehen die Neuankömmlinge ihrerseits ebenfalls mit netten Geschenken von Wohnung zu Wohnung, um sich bei den Anwohnern für diese freundliche Aufnahme zu bedanken.
    Wir warteten bereits über eine Woche auf den Besuch unserer deutschen Nachbarn. Langsam machte ich mir schon Gedanken, weil ich doch genau wusste, dass die Deutschen eigentlich ganz pünktlich sind.
    Am Vormittag des achten Tages klingelte es plötzlich an der Tür, mein großer Sohn Recep brüllte sofort los. Sie müssen wissen, Recep war damals noch sehr klein. Also Recep brüllte los:
    ›Klingel macht
biiirr
, Papa!‹
    Ein erwachsener Mann wie ich zeigt natürlich derart kindische Gefühle nicht, deshalb antwortete ich souverän und selbstbewusst:
    ›Natürlich macht die Klingel
biiirr
, mein Sohn, auch hier in Deutschland. Soll sie etwa
wau
,
wau
machen?‹
    Meine Frau hörte auf, im Badezimmer ihre Wasservorräte zu bewundern, und lief schnell zur Tür.
    ›Ein Gast, Osman, endlich ist ein Gast da!‹, kreischte sie.
    ›Es ist sogar ein deutscher Gast‹, juchzte mein Sohn außer sich vor Freude.
    Ein gut gekleideter Nachbar, Mitte dreißig, stand mit mehreren Kartons vor der Tür.
    Ich begrüßte ihn überschwänglich und küsste ihn auf beide Wangen, halt so, wie man seine neuen Nachbarn zu begrüßen hat.
    ›Ich Osman Engin, willkommen, Nachbar‹, rief ich trunken vor Glück.
    Herr Viehtreiber, Sie müssen sich natürlich vorstellen, dass ich damals viel schlechteres Deutsch sprach als jetzt.«
    »Nein, das kann ich nicht! Wie soll das denn gehen?«
    »Was können Sie nicht?«
    »Mir noch schlechteres Deutsch vorstellen, als du jetzt sprichst!«
    »Na ja, wie dem auch sei, der deutsche Nachbar hat auf jeden Fall kapiert, dass ich ihn willkommen heiße. Er schleppte die Kartons ins Wohnzimmer und stellte ein Geschenk nach dem anderen auf den Couchtisch: einen Schnellkochtopf, einen Heizlüfter und eine Stereoanlage.
    Ich schaute meine Frau stolz an und flüsterte ihr zu:
    ›Eminanim, wir

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