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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Männern beim Sex wenigstens einmal kurz ins Gesicht schauen‹, meckerte der uncharmante Kommissar.
    ›Aber wieso? Die Nase des Mannes ist doch eh wie sein Johannes‹, kicherte die Frau.
    ›Johannes? Die Dame sagte eben Johannes. Also habe ich doch nichts damit zu tun. Ich heiße doch Osman‹, jubelte ich und machte mich sofort auf die Socken und war sehr froh, dass ich nicht Johannes heiße!«
    »Lecker, lecker, lustiger Name, der Kommissar Johannes«, schluckt er, während er Eminanims Essen weiterhin wie ein Scheunendrescher vernichtet.
    »Wie bitte, sagten Sie eben Kommissar Johannes?«
    »Hmhömh … Ja, ja, köstlich, wie ging’s dann weiter?«
    Bei Allah, er hat nicht mal gemerkt, dass die Geschichte schon längst zu Ende und der Johannes kein Kommissar ist, jedenfalls kein ganzer! Wie ich schon vermutet habe: Das Gesagte interessiert ihn überhaupt nicht, nur das Gekochte. Das kann ich sehr leicht beweisen, probieren kostet ja nichts:
    »Herr Viehtreiber, und dann nahm mich der Kommissar Johannes zur Seite …«, rufe ich und mache eine künstlerische Pause, um seine Reaktion abzuwarten.
    »Hmmmh, lecker, mhöhm«, kommt als Antwort, begleitet von mehreren Schmatzern.
    »Und er sagte zu mir, hiermit erkläre ich dich auch zum Kommissar, mein Sohn, mögest du alle Mörder dieser Welt zur Strecke bringen. Aber eins darfst du als Urologeniemals vergessen und musst immer danach handeln …« Ich reiße ein Kalenderblatt von der Wand und lese mit großer Geste:
    »›Der Wolke Zickzackzunge spricht:
    Ich bringe dir, mein Hammel, Licht.

    Der Hammel, der im Stalle stand,
    ward links und hinten schwarz gebrannt.

    Sein Leben grübelt er seitdem:
    warum ihm dies geschah von wem?‹«
    »Toll! Köstlich!«
    »Da haben Sie recht, der Christian Morgenstern konnte tolle Gedichte schreiben!«
    »Ihre Frau ist wirklich ein Ass am Herd!«
    »Das stimmt auch, sie kann vielleicht nicht so herrlich blöde Gedichte schreiben wie Christian Morgenstern, aber kochen kann sie wie ein Weltmeister.«
    Ist diese Welt nicht total ungerecht?
    Diese Fressmaschine schlägt sich auf meine Kosten den Bauch voll und will mich im selben Moment entlassen!
    Er beißt gewissermaßen die Hand, die ihn ernährt, ab. Oder wie die Türken so trefflich sagen: »Füttere die Krähe, und sie sticht dir die Augen aus!«
    Dabei lieben wir uns doch heiß und innig! Meine Halle 4 und ich, meine ich. Unsere Liebe ist größer als die von Romeo und Julia, Tristan und Isolde oder Fred Feuerstein und Wilma.
    Gut, ich gebe zu, ganz am Anfang hatte ich ein paar Wochen etwas mit Halle 3 am Laufen. Aber das war nichts Richtiges. Das war nicht die große Liebe, das war nur zum Geldverdienen. Ich habe in Wirklichkeit Halle 3 nur benutzt, um irgendwie in Halle 4 zu landen. So was ist doch ganz legitim. Jeder tut doch in der Jugend so, als würde er sich mit seinem neuen Kumpel ganz toll verstehen, obwohl er in Wirklichkeit nur was von dessen hübscher Schwester will. Aber seitdem ich mit ihr zusammen bin, habe ich sie niemals betrogen. Allen Verlockungen habe ich tapfer widerstanden und bin nie fremdgegangen. Zweimal hat mir der Chef nämlich einen Job in Halle 5 angeboten. Da hätte ich zwar mehr Geld verdient, aber ich wäre nie glücklich geworden.
    »Für 15 Cent mehr in der Stunde bin ich nicht käuflich«, habe ich denen von der Personalabteilung gesagt. Und die 30 Cent, die ich verlangt habe, die wollten sie mir nicht geben. Aber das war nur ein Test und nicht ernst gemeint. Ich hätte niemals meine Halle 4 verlassen. Sie konnte sich meiner Liebe all die Jahre immer sicher sein. Ich bin zu unseren Verabredungen nie zu spät gekommen oder habe niemals Kopfschmerzen vorgetäuscht. Öfters war ich sogar zwei Schichten hintereinander bei ihr, und in der dritten Schicht haben sie mich regelrecht raustragen müssen.
    Dass außer mir noch über hundert andere Männer was von ihr wollten, hat mich früher schon etwas gestört. Aber in meinem Innersten war ich mir absolut sicher, dass die Halle 4 in Wirklichkeit nur mich von ganzem Herzen lieb hat. Niemand sonst durfte so viele Überstunden und Doppelschichten schieben wie ich.
    Nur ein einziges Mal hat uns das Schicksal in der Tat brutal getrennt!
    Ich weiß es, als wenn es gestern gewesen wäre: der 23. Januar 1997!
    Es war das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte seit dem Aussterben der Dinosaurier, dem Fall der Berliner Mauer und der Geburt des zweiten Sohnes meiner Mutter – das bin ich.
    »Halt! Heute

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