1003 - Die Templer-Säule
hast du nichts gehört?« erkundigte sich Shao nach einer kurzen Pause.
»Leider nicht.«
»Wer weiß denn über ihn Bescheid?«
»Nur er selbst, schätze ich.«
»Ja, leider«, murmelte Shao. »Gib auf dich acht, Suko, damit es dir nicht so ergeht wie Johns Eltern.«
»Keine Sorge, ich passe schon auf.«
Sie verabschiedeten sich, und Suko steckte den kleinen Apparat wieder weg.
Der Tee war inzwischen kalt geworden. Suko trank ihn trotzdem und aß auch den Rest seiner kargen Mahlzeit. Dann überlegte er, denn die Botschaft aus den Augen war ihm zwangsläufig wieder in den Sinn gekommen. Wie ein akustisches Geschichtsbuch hatte sie sich angehört. Die Stimme hatte ihm Namen und Jahreszahlen mitgeteilt, wichtige Daten aus dem Mittelalter.
Lag in dieser Zeit die Lösung?
Suko war davon überzeugt. Und er kam auch immer mehr zu dem Entschluß, daß die Templer eine nicht unwesentliche Rolle beim Verschwinden der Bundeslade gespielt hatten. Oder sie waren an der großen Suche nach ihr beteiligt gewesen, denn darauf deutete auch einiges hin. Suko spukte auch der Name Lalibela durch den Kopf. Ein Prinz aus Äthiopien. Einer, der vor Hunderten von Jahren gelebt und sicherlich auch Kontakt mit den Templern gehabt hatte.
Das Dickicht war nicht ausgedünnt worden. Es hatte sich noch mehr verdichtet.
»Und dann gibt es da noch den Fluch der Sinclairs«, sagte er leise vor sich hin. »Irgendwo muß auch John als Teilstück in dieses Puzzle hineinpassen. Zusammen mit seinen Eltern, die ermordet worden waren. Man wollte den Namen auslöschen. Man wollte die Personen nicht mehr haben. Warum?«
Suko konnte sich die Antwort nicht geben. Es blieben nach wie vor Spekulationen zurück, aber ein Motiv schälte sich für seinen Geschmack immer deutlicher hervor.
Es sollte John auf keinen Fall gelingen, die rätselhafte Bundeslade zu finden. Andere Kräfte versuchten mit aller Macht und mit Gewalt, dies zu verhindern.
Wer steckte dahinter?
Suko redete mit sich selbst. »Auf der einen Seite eine Gruppe, die zwei Profikiller nach Chartres geschickt hatte. Auf der anderen«, jetzt lachte Suko auf, »waren es die Schatten.«
Er schlug mit der Faust auf den Tisch, weil er auch nach intensivem Nachdenken keinen Zusammenhang fand. Da war der Bogen einfach zu weit gespannt worden.
Diesmal meldete sich sein Handy nicht, sondern das normale Telefon. Suko war froh über diese Unterbrechung, denn er trat gedanklich auf der Stelle.
Nach dem dritten Tuten hatte er abgehoben, brauchte sich aber nicht zu melden, denn das tat der Anrufer schon von allein. »Gut, daß Sie noch da sind, Inspektor.«
»Ah, Constabler Bull. Was gibt es?«
Der Kollege aus Lauder lachte. »Ich weiß nicht, ob es etwas gibt, aber in Anbetracht der Vorfälle dachte ich mir, daß ich Ihnen etwas erzähle, was vor einigen Minuten hier passiert ist.«
»Meinen Sie die Sinclairs damit?«
»Nein, nicht sie, Sir. Es geht um eine fremde Frau. Also eine, die hier in Lauder unbekannt ist. Sie hat sich nach dem Haus der Sinclairs erkundigt.«
»Interessant. Bei Ihnen?«
»Nein, bei meinem Neffen. Aber sie wußte nicht, daß er mein Neffe ist. Er war auf dem Weg zu mir und wollte mir etwas bringen. Da hat er mir natürlich brühwarm von dem Treffen berichtet. Die Frau fährt übrigens einen dunkelgrünen Lancia.«
»Und Sie meinen, daß sie auf dem Weg zum Haus ist?«
»Davon gehe ich aus, Sir.«
Suko schaute unwillkürlich zum Fenster. Hinter der Scheibe war nichts zu sehen. »Hat Sie sonst noch etwas gesagt?«
»Nein, nichts. Sie nannte keinen Grund für ihren Besuch, wenn Sie das meinen.«
»Dann bedanke ich mich für die Vorwarnung. Ich werde sie schon gebührend empfangen.«
»Tun Sie das. Und wenn Sie Hilfe brauchen, Inspektor…«
»Werde ich mich natürlich an Sie wenden, Mr. Bull. Noch einmal herzlichen Dank.« Suko atmete scharf aus, als er aufgelegt hatte. Er war froh über diese Warnung gewesen. Aber wer, zum Teufel, konnte daran Interesse haben, den Sinclairs einen Besuch abzustatten? Jedenfalls war die Person fremd, sonst hätte sie sich nicht nach dem Haus der beiden erkundigt. Ob sie jemand war, der kontrollieren wollte, daß auch alles perfekt gelaufen war?
Es hatte keinen Sinn, wenn er sich Gedanken machte. In den folgenden Minuten würde er eine Erklärung bekommen. Lange konnte es nicht dauern, bis sie eintraf.
Suko stellte die Teetasse weg, behielt aber das Fenster im Auge, denn von der Küche aus konnte er den Platz vor dem Haus sehr gut
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