1005 - Todesfahrt nach Felloy
kam. „Die VACCOM ist in Ordnung", erhielt er zur Antwort. Dabonudzers Stimme klang müde; er wirkte verwirrt. Surfo gestand ihm zu, daß er seine Rolle ausgezeichnet spielte. „Was ich sah, muß eine Fehlanzeige gewesen sein."
„Dann können wir uns also auf den Weg machen", sagte Surfo.
Es ging wie ein Ruck durch den Kranen. Der Ausdruck der Verwirrung schwand aus seiner Miene. Die braunen Augen wurden hart. „Niemand macht sich auf den Weg", erklärte er. „Wir warten hier, bis Hilfe eintrifft."
„Darin sehe ich keinen Sinn", widersprach Surfo. „Niemand weiß, wie lange es dauern wird, bis die Hilfsflotte aufkreuzt. Wir wissen nicht einmal, ob sie überhaupt je kommen wird. Soweit Kullmytzer weiß, ist die SANTONMAR ein wertloses Wrack, das nur noch Leichen an Bord hat. Warum sollte er sich darum kümmern?"
„Kullmytzer wird Hilfe schicken", sagte Dabonudzer beharrlich. „Er hat die Verantwortung für sein Schiff, auch wenn es nur noch ein Wrack ist. Im übrigen wird es hier keine lange Diskussion geben. Mein Befehl lautet, daß wir an Bord der SANTONMAR auf das Eintreffen von Hilfstruppen warten. Wer sich diesem Befehl widersetzt, wird an Ort und Stelle gemaßregelt."
Surfo wußte, daß er nicht mehr weiter drängen durfte. Dabonudzers rechte Hand schwebte in gefährlicher Nähe des Schockers, den er in einem Futteral am Gürtel trug.
Für den Augenblick galt es einzulenken. Die Verwirklichung des Planes mußte warten, bis Dabonudzers Mißtrauen nachließ. „Du bist der Zweite Kommandant", sagte Surfo. „Wir widersetzen uns dir nicht. Was sollen wir tun, bis die Hilfsflotte eintrifft?"
„Ich erinnere mich", antwortete Dabonudzer sarkastisch, „daß ich euch den Auftrag gegeben habe, nach Ortergeräten zu suchen. Ich schlage vor, daß ihr euch ernsthaft an die Arbeit macht."
*
Surfo preßte sich in den Winkel, den der Tragflächenstummel mit der steil aufragenden Bordwand der VACCOM bildete. Wenn er sich ein wenig nach vorne beugte und über die Kante der Tragfläche hinabblickte, sah er das Schleusenschott, aus dem Dabonudzer nach seiner Meinung über kurz oder lang zum Vorschein kommen mußte.
Er war sicher, daß sein Manöver nicht beobachtet worden war. Er hatte mit Scoutie und Brether zusammen die VACCOM verlassen. Falls Dabonudzer ihn beobachtete, dann hatte er gesehen, wie er zusammen mit den Freunden im Bugsektor des Wracks verschwand, getreu dem Befehl, nach Ortergeräten zu suchen. Aber nur eine Minute später war Surfo an der Steuerbordseite des Bugsektors wieder zum Vorschein gekommen. Die Wunden im Leib der SANTONMAR hatten ihm als Deckung gedient, während er sich an das frei schwebende Beiboot heranarbeitete, bis er schließlich dessen Heck vor sich hatte. Im Heck selbst befanden sich keine Aufnahmegeräte der Außenbeobachtung. Surfo hatte sich an den finsteren Ausstoßöffnungen des Korpuskulartriebwerks vorbeigehangelt, dann war er auf der Außenhaut des Bootes entlang gekrochen, den Kameras sorgfältig ausweichend, bis er das Versteck auf der Tragfläche erreichte.
Das Risiko, das er einging, war nicht gering. Wenn Dabonudzer nach den Rekruten rief, dann würden ihm zwar Brether und Scoutie aus der Richtung antworten, in der er sie fortgeschickt hatte, aber von Surfo Mallagan bekäme er keine Antwort. Die Frage war, wie er darauf reagieren würde.
Surfo spürte eine leichte Erschütterung, die den Rumpf der VACCOM durchlief. Das Boot setzte sich in Bewegung. Surfo glaubte zu wissen, was Dabonudzer vorhatte. Die VACCOM war an ihrem gegenwärtigen Standort, dicht über dem Hauptrumpf des Mutterschiffs, nicht sicher. Sie nahm an der Rotation der SANTONMAR nicht teil und würde über kurz oder lang mit einem der Auswüchse des rotierenden Wracks kollidieren. Die VACCOM mußte abseits des Schiffes untergebracht werden, ein paar hundert Meter weit. Das brachte für Dabonudzer zudem den Vorteil, daß er das Boot leichter überwachen konnte.
Surfo blickte über die Tragflächenkante hinweg und sah, wie der zerfetzte Rücken des Hauptrumpfs unter ihm in die Tiefe sank. Die VACCOM glitt an der Triebwerksflanke des Bugsektors in die Höhe. Sie bewegte sich mit geringer Geschwindigkeit, bis ihr Abstand von der Oberfläche des Wracks etwa vierhundert Meter betrug. Darauf folgten ein paar kurze Manöver, die dazu führten, daß das Boot sich mit der Längsachse parallel zur Rotationsachse der SANTONMAR orientierte. Schließlich lag es still.
Der Augenblick der Entscheidung
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