1006 - Das Palladium
Beobachter versteckt hielten, die jeden Schritt von mir genau nachvollzogen.
Ich blieb vor der Lade stehen. Das Tuch war aus einem schweren Stoff hergestellt worden. Es hing an den Längsseiten der Lade herab, und ich würde schon gewisse Mühen haben, es abzustreifen. Außerdem wurde es an den Enden noch von den beiden Cherubim gehalten. Mir fiel jetzt ein, daß sie bei der anderen Lade, die aus der Kirche getragen worden war, gefehlt hatten.
Bisher hatte ich noch nichts berührt, was in einem unmittelbaren Kontakt zur Lade stand. Das änderte sich, als ich dicht vor dem schweren Tuch stehenblieb.
Ich faßte es an.
Nein, mich durchzuckte kein Schlag, obgleich ich damit gerechnet hatte. Ich war nur verwundert über die Schwere des Stoffs, den ich vom Gewicht her mit dem eines Teppichs verglich. Er war auch nicht trocken, sondern wies einen feuchten Film auf, der sich auf dem oberen Flor abgesetzt hatte.
Um ihn anzuheben, nahm ich beide Hände zu Hilfe. Es war wirklich nicht leicht, ich mußte viel Kraft einsetzen, um diesen Teil in die Höhe zu hieven. Ein alter, muffiger Geruch hatte sich unter der Decke versteckt gehalten und schlug mir jetzt entgegen. Wie eine Wolke spürte ich ihn und hielt den Atem an.
So leicht war es nicht, die Decke zu entfernen. Helfer waren eigentlich nötig gewesen, aber ich würde keinen der Templer in die Kapelle holen. Da wollte ich es lieber allein schaffen.
Ich strengte mich an. Beide Hände hatte ich in den Rand der dicken Decke geklammert und ihn auch etwas gedreht, damit meine Hände den nötigen Halt bekamen.
Dann zog ich.
Ich hatte Glück, daß der Boden unter mir nicht so glatt war. So konnte ich meine Hacken dagegenstemmen, aber viel brachte es nicht. Die Decke bewegte sich kaum.
Ich entschied mich für eine andere Möglichkeit. Dort, wo ich stand, drehte ich mich wieder um, ließ den schweren Stoff aber nicht los, als ich die Arme anhob und die Decke nun am Rücken festhielt.
Es sah sicherlich so aus, als versuchte ich eine Last fortzutragen und sie bewegte sich doch. Durch meine Kraftanstrengung rutschte sie Stück für Stück in meine Richtung.
Ich biß die Zähne zusammen. Der Schweiß quoll mir aus zahlreichen Poren. Ich kämpfte mich Schritt für Schritt weiter. Die Umgebung um mich herum war erfüllt von meinem Keuchen.
Die Kerzen standen glücklicherweise so weit weg, daß die Flammen keine Chance bekamen, den Stoff in Brand zu stecken.
Geschafft! Die Decke war heruntergezogen.
Ich hörte das Schleifen hinter mir. Einen Moment später prallte die Abdeckung zu Boden. Sie war mit einem dumpfen Knall gelandet.
Staub wallte in die Höhe, die Flammen fingen an zu flackern, so daß ich mir vorkam wie in einem Wechselspiel aus Licht und Schatten.
Ich hatte die schwere Decke losgelassen. Gebückt und keuchend blieb ich stehen. Ich brauchte eine kleine Pause nach dieser verdammten Anstrengung, bevor ich den zweiten Schritt ging.
Tief ein- und ausatmen. Ruhig sein. Nicht mehr zittern. Alles wieder ins Lot bringen.
Nach einer Weile fühlte ich mich fit und drehte mich um. Die kleinen Feuerzungen waren noch nicht zur Ruhe gekommen. Sie tanzten weiterhin über den Dochten und sorgten dabei für einen verzerrten Anblick der Bundeslade.
Jetzt lag sie frei!
Mein Magen verkrampfte sich, und die Aufregung kehrte wieder zurück. Ich sah sie. Ich sah sie tatsächlich, und ich fragte mich unwillkürlich, ob es viele Menschen aus meinem Kulturkreis gewesen waren, die die Lade zu Gesicht bekommen hatten.
Nein, bestimmt nicht.
Mit leicht zögernden Schritten ging ich vor und blieb in einer günstigen Distanz stehen.
Das war also das Palladium!
Das Allerheiligste der Israeliten. Ein Stück des Felsens, auf dem sich der Glaube vieler Menschen aufgebaut hatte.
Wahnsinn!
Ich bemühte mich darum, einen klaren Kopf zu behalten und nicht von den Gefühlen überschwemmt zu werden, denn hier kam ich mir vor wie am Anfang der Zeit stehend.
Von ihr ging etwas aus, das spürte ich deutlich. Auf meiner Haut kribbelte es. Die kleinen Haare wollten sich hochstellen, und in den Augen war plötzlich ein gewisser Druck vorhanden. Auch kratzte Staub in meiner Kehle.
Hätte ich jetzt sprechen müssendes wäre mir nur schwerlich gelungen.
Nach einer Weile hatte ich mich wieder so weit gefangen, daß ich die Lade genau unter Kontrolle nehmen konnte. Sie war von den Außenseiten her wirklich nicht riesig. Sie glich damit einer Truhe, möglicherweise um eine Idee rechts und auch links
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