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1007 - Totenwache

1007 - Totenwache

Titel: 1007 - Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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anfühlte.
    Kalt und zugleich weich wie Teig.
    Mich überkam eine Gänsehaut, und wieder war es mir nicht möglich, die Tränen zurückzuhalten. Ich konnte auch wieder sprechen, aber es war mir selbst unmöglich, die Worte zu verstehen. Über meine Lippen drang nur ein Gestammel.
    Der Drang, wieder weinen zu müssen, war einfach nicht zu stoppen. Es ging nicht, ich hielt die Tränen nicht zurück. Mit dem Bild meiner toten Mutter waren einfach zu viele Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend verbunden. Ich fühlte mich so schlecht, als hätte irgendein Dämon die Kraft aus meinem Körper gesaugt.
    Ich stand lange am Sarg und ließ meine tote Mutter dabei nicht los.
    Meine Handflächen waren mittlerweile warm geworden, so, als sollte diese Wärme auch in den toten Körper strömen.
    Aber das war nicht möglich. Ich weckte keine Toten auf, auch wenn es die eigene Mutter war.
    Ich bat sie um Verzeihung für all das, was geschehen war. Was ich nicht hatte regulieren können, denn wäre ich hier in Lauder gewesen, würden meine Eltern noch leben.
    So aber war alles anders geworden, und in meinem Leben hatte es einen Riß gegeben.
    Wie sagte man? Die Zeit heilt alle Wunden. Das mochte stimmen, aber ich war mir bewußt, daß es eine ganze Weile dauern würde, bis die Wunden verheilt waren.
    Irgendwann richtete ich mich wieder auf. Es gab nicht nur meine Mutter, sondern noch einen zweiten Toten, meinen Vater. Mit schleppenden Schritten näherte ich mich dem zweiten Sarg und blieb auch hier seitlich stehen.
    Mein Blick fiel direkt in das Gesicht meines toten Vaters.
    Es unterschied sich von dem meiner Mutter in einem wesentlichen Merkmal: Die Augen meines Vaters standen offen.
    Und die Pupillen schimmerten in einem dunklen Braun!
    ***
    Bisher hatte ich von dieser Veränderung nur gehört. Jetzt aber sah ich es selbst. Die Pupillen meines Vaters hatten sich verfärbt. Nein, das stimmte auch nicht so ganz. Etwas anderes war in die Augen meines toten Vaters hineingeraten, das man kaum mit dem Begriff Farbe umschreiben konnte.
    Es war der Geist eines längst Verstorbenen, der diese Leiche übernommen hatte. Er hatte sich dort manifestiert, als wollte er nie mehr weichen. Der fremde Ausdruck in den Augen lenkte mich von dem allgemeinen Bild meines Vaters ab, so daß ich die Gestalt selbst kaum wahrnahm. Die Konzentration blieb auf seine Augen beschränkt, und meine Gedanken beschäftigten sich mit dem Namen Lalibela.
    Er war es gewesen.
    Dieser alte König aus Äthiopien, der mit den Templern gemeinsame Sache gemacht hatte. In seinem Namen hatten sie die zwölf Felsenkirchen gebaut. In seinem Namen war die geheimnisvolle Bundeslade verwahrt worden, und sie war erst später nach Aksum geschafft worden.
    Ich wußte nicht, wie ich diesem alten, von den Menschen sehr verehrten König gegenübertreten sollte. Er entwickelte sich für mich zu einem Alptraum, der mich immer stärker verfolgte und auch vor meinem toten Vater nicht gestoppt hatte. Ich selbst hatte auf meiner Reise in die Vergangenheit Lalibela nicht kennengelernt, sondern war dafür an den Hof des König Salomo gelangt, wobei mir jetzt einfiel, daß sich das Schwert noch bei Suko im Wagen befand.
    Ich schaffte es wieder, mich auf die Augen zu konzentrieren. In ihnen suchte ich nach einer Bewegung. Ich wollte wissen, ob sich darin noch Leben befand.
    Nein, da war nichts.
    Vorläufig jedenfalls nicht, aber ich rechnete mit allem. Auch letztendlich damit, daß sich mein toter Vater plötzlich unter dem Einfluß des anderen bewegte und so versuchte, seinen offenen Sarg zu verlassen. Bei dieser Vorstellung kriegte ich schreckliche Angst. Über meinen Rücken rannen kalte Schauer. Sollte dies wirklich der Fall sein, dann mußte ich reagieren, und ich dachte daran, wie oft ich schon mit Untoten oder ähnlichen Wesen zu tun gehabt hatte. Da gab es eigentlich nur eine Lösung. Einen Vampir pfählte man oder vernichtete ihn mit dem geweihten Kreuz oder mit einer Silberkugel.
    Bei Zombies verhielt es sich ähnlich. Es gab auch die Möglichkeit, ihnen die Köpfe abzuschlagen.
    Aber würde ich das bei meinem Vater schaffen können? Den eigenen Vater zu töten?
    Ich fror plötzlich. Und während des Frierens erwischte mich auch wieder das Zittern. Aber es war ein anderes Zittern, als das, das ich vorhin am Sarg meiner Mutter erlebt hatte. Meine Augen füllten sich auch nicht mehr mit Tränen. Ich stand neben dem Sarg, schaute mir meinen toten Vater an und nahm ihn einfach als ein

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