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1007 - Totenwache

1007 - Totenwache

Titel: 1007 - Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ungewöhnliche Rausch verschwand. Mein Kopf wurde wieder frei. Ich war auch in der Lage, normal zu atmen, und allmählich trat die Beruhigung ein.
    Die Starre verließ den Körper. Ich konnte wieder gehen. Einen winzigen Schritt trat ich zur Seite. Dabei riß ich den Mund auf wie ein Fisch an Land.
    Mein Herzschlag beruhigte sich wieder. Es ging mir besser, viel besser, und ich wußte jetzt auch, wo ich mich befand. Eben in der Halle, in der meine toten Eltern lagen. Ich war gekommen, um bei ihnen die Totenwache zu halten.
    Da standen die Kerzen. Ich sah die beiden Särge. Mir fiel auch die Stille auf. Ich schaute noch einmal in das wachsbleiche Gesicht meiner Mutter und wechselte den Blick dann zu dem meines Vaters, in dem sich ebenfalls nichts verändert hatte. Der fremde Ausdruck in den Augen war geblieben.
    Er ist noch da! dachte ich. Lalibela hat mich noch nicht aus seinen Klauen gelassen. Ich ballte die Hände zu Fäusten. Zwischen meinen Fingern war es glatt geworden, und der Schweiß hatte sich auch nicht nur an den Händen ausgebreitet, sondern meinen gesamten Körper erfaßt.
    Daß die Totenwache so verlaufen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen, aber wer mit dem Fluch der Sinclairs belastet ist, darf eben nicht von einer Normalität ausgehen.
    In meiner Kehle kratzte es noch immer. Mein Magen schmerzte wie abgeklemmt. Ich bewegte mich auf und ab, lauschte meinen eigenen Geräuschen und durchwanderte so die Leichenhalle.
    Jede Sekunde, die verstrich, sorgte bei mir für einen Anstieg der Nervosität. Was ich durchlitten hatte, war nicht grundlos geschehen.
    Da mußte es einfach ein anderes Motiv geben, aber damit kam ich beim besten Willen nicht zurecht.
    Was war geschehen?
    Für mich stand fest, daß etwas passiert sein mußte. Nicht grundlos hatte ich dieses Erlebnis durchlitten. Vielleicht hatte Lalibela versucht, auf eine bestimmte Art und Weise mit mir Kontakt aufzunehmen. Möglich war es, wenn auch nicht sicher.
    Die Toten bewegten sich nicht. Sie lagen da, als würden sie auf jemanden warten. Aber worauf? Auf ein Ereignis, das sie zurück ins Leben holte?
    Ich hatte keine Ahnung. Es kam wirklich selten vor, daß ich mich überfragt fühlte, aber in diesem Fall war es so. Ich wußte nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich mußte mich auf eine neue Lage einstellen, von der mir nicht bekannt war, wie sie sich verändert hatte. Es gab sie, aber ich konnte sie nicht fassen.
    Mein Blick glitt über die Wände der Leichenhalle hinweg. Dort, wo sie vom Schein der Kerzen erwischt wurden, schienen sie zu leben, denn da war das Spiel aus Helligkeit und Schatten genau zu sehen. Da liefen die Muster ineinander, wie die Seelen der fremden Dämonen, die ihr Totenreich verlassen hatten.
    Ich ging und fühlte mich zugleich wie jemand, der kaum von der Stelle kam. So verließ ich den helleren Bereich und geriet hinein in das Halbdunkel an der Tür.
    Ich dachte an Suko.
    Er wartete draußen, weil wir ja beide damit rechneten, daß sich dort jemand zeigen würde. Es gab Lalibelas Diener noch. Die Gruppe war ziemlich groß. Ich hatte sie selbst erlebt, und sie wollten, daß die alten Verhältnisse des Mittelalters wiederhergestellt wurden.
    Das alles war so bekannt, so sicher, aber es stellte sich die Frage, wie sie das anstellen würden.
    Durch meinen Vater?
    Als mir der Gedanke kam, schaute ich zurück. Nein, die Leiche hatte sich nicht bewegt, sie lag noch immer da, wo sie schon zuvor gelegen hatte, und im ersten Moment fiel mir ein Stein vom Herzen.
    Langsam ging ich weiter. Ich wollte raus aus diesem Raum, der für mich zu einem Trauma geworden war. Ich mußte jetzt jemanden haben, mit dem ich reden konnte, und das war eben Suko.
    Im Freien atmete ich die andere, die frische, kühle Luft. Mein Herzschlag hatte sich wieder beruhigt, und es war auch dunkler geworden. Zwar nicht so finster wie in der Nacht, aber die Schatten des grauen Zwielichts hielten das Gelände umfangen wie ein gewaltiges Tuch.
    Der Friedhof in unmittelbarer Nähe wirkte still und gespenstisch.
    Ich konnte nicht einmal die Gräber sehen, nur die kahlen Bäume, deren Geäst über das Mauerwerk hinwegragte.
    Auf diesem Friedhof würden meine Eltern ihre letzte Ruhestätte finden, das stand fest. Ich wünschte ihnen beiden, daß sie einen echten Frieden fanden. Daß auch ihre Seelen eine friedliche Umgebung bekamen, in der sie ihr Heil fanden.
    Ich schaute mich auch weiterhin um. Es hatte sich nichts verändert. Dennoch kam ich mit diesem

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