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1007 - Totenwache

1007 - Totenwache

Titel: 1007 - Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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mir.
    Eine Waffe trug er nicht sichtbar. Allerdings rechnete ich damit, daß er bewaffnet war, und deshalb nahm ich die rechte Hand auch nicht vom Griff der Beretta.
    Es sah schon schaurig aus, wie er sich in seiner hellen Kutte durch die Düsternis zwischen den Grabsteinen bewegte. Er stoppte oder stockte auch nicht. Er war eine gewaltige Gestalt, die sich sicher vorkam, die alles beherrschte.
    Ich wartete noch immer. Er wollte etwas von mir, und er würde mich auch ansprechen.
    Dann blieb er stehen.
    Zwei Schrittlängen trennten uns höchstens, nicht mehr. Er sprach mich nicht an, schaute mir nur ins Gesicht, und ich glaubte, in den Schlitzen die dunklen Augen zu sehen.
    Ich hatte Mühe, meine Stimme unter Kontrolle zu haben, reckte das Kinn vor und fragte mit leiser Stimme: »Wer sind Sie? Warum treiben Sie sich hier auf dem Friedhof herum?«
    Unter der hellen Kapuze war seine Stimme zu hören. Auch wenn sie normal klang, für mich hörte sie sich trotzdem anders an. Dumpf und leicht kratzig.
    »Ich gehöre zur neuen Generation der Diener eines gewaltigen Königs. Zu Lalibela.«
    »Er ist tot«, sagte ich.
    »Nein. Nicht so, wie du denkst.«
    Ich widersprach. »Er muß einfach tot sein, denn er hat vor Hunderten von Jahren gelebt. Niemand kann so lange leben und als normaler Mensch über die Welt wandern.«
    »Sein Körper ist nicht wichtig. Der Geist zählt, und ihn gibt es noch. Auch er hat seine alte Aufgabe nie vergessen. Er wollte die Lade beschützen, die von verschiedenen Personen und Gruppen gesucht wurde.«
    »Ja, unter anderem auch von mir.«
    »Ich weiß.«
    »Wenn Sie zu Lalibelas Dienern gehören, dann werden Sie auch wissen, daß die Lade nicht für euch bestimmt war. Denn Ihre Freunde sind beim Versuch, die Bundeslade zu öffnen, gestorben.«
    Da sich die Kapuze bewegte, ging ich davon aus, daß der Mann ein Nicken angedeutet hatte. »Es stimmt, wir wissen Bescheid, aber es waren nicht die einzigen, die unserer Loge angehörten.«
    Loge?
    Plötzlich war ein neuer Begriff aufgetaucht. Von einer Loge hatte ich bisher noch nichts gehört. Das war nicht nur neu, sondern auch fremd für mich, aber nicht unverständlich, denn viele Menschen, die sich wegen ihrer gleichen Interessen zusammenfanden, nannten sich Logenbrüder. Auch hier war es nicht anders.
    Ich blieb ruhig, als ich fragte: »Hat diese Loge auch einen Namen, Mister Unbekannt?«
    »Ja.«
    »Ich will ihn wissen.«
    »Es ist die Loge des Königs!«
    Einen konkreten Namen brauchte er mir nicht zu nennen. Ich wußte auch so, woran ich war. Fragte allerdings trotzdem nach.
    »Dieser König wird Lalibela genannt?«
    »So ist es.«
    »Und weiter?«
    »Wir dienen ihm. Wir sind nicht nur in Äthiopien, unserer eigentlichen Heimat, präsent, sondern auch in anderen Ländern der Welt. Ebenfalls hier in Schottland. Das Schicksal oder die Fügung hat es so gewollt, daß hier die Fäden zusammenlaufen. Mehr kann ich beim besten Willen einem Fremden gegenüber nicht sagen.«
    Ich dachte nach und nickte dann. »Warum gerade hier?«
    »Es hatte seinen Grund.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Aber welchen? Ich bin in keiner guten Verfassung. Ich stehe hier und weiß meine toten Eltern in der Nähe. Ich habe meinen Vater gesehen, dessen Augen sich verändert haben. Sie gehören nicht mehr dem Mann, den ich kenne. Das weißt du genau. Ich bin…«
    »Du bist an der richtigen Stelle. Ebenso wie ich an der richtigen Stelle bin.«
    »Wieso?«
    Er hob die Schultern. »Hast du es nicht gesehen?« erkundigte er sich mit seiner Flüsterstimme.
    »Du sprichst von meinem Vater?«
    »Von wem sonst?«
    »Was ist mit ihm?« fuhr ich den Mann an. »Ich möchte gern die ganze Wahrheit wissen.«
    »Er ist ein Auserwählter. Lalibela hat ihn ausgewählt. Er befindet sich auf seinem Weg, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Ich runzelte die Stirn. »Nein«, sagte ich. »Nicht genau. Ich weiß es nicht so recht.« Es war halb gelogen, denn ich ahnte schon, was da auf mich zukam, aber ich behielt meine Worte noch für ich. In meinem Innern zog sich etwas zusammen. Über meinem Kopf schwebte ein Berg, ein dicker Brocken, und ich hatte das Gefühl, daß er jeden Augenblick zerbrechen konnte.
    Das leise Lachen störte mich. Es klang so verdammt hämisch. Ich war nicht in der Lage, etwas darauf zu erwidern. Meine Angst steigerte sich, und plötzlich drehte sich alles vor meinen Augen, ich war nicht in der Lage, mich normal zu benehmen, ich wünschte mich einfach weg.
    Aber der

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