1007 - Totenwache
ein Lächeln versuchte, schrak der Pfarrer zusammen.
Er kam damit nicht zurecht. »Wir leben noch«, sagte Suko.
»Ja – stimmt. Aber ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich bin völlig überfragt. Die Männer waren vermummt. Sie stürzten in das Pfarrhaus und – ja…« Er quälte sich. »Ich konnte wirklich nichts tun, Mister.«
»Vermummt?«
»Ja, sie trugen Kutten.« Der Pfarrer konnte beide Arme nur gleichzeitig anheben, denn um seine Gelenke spannten sich ebenfalls zwei stählerne Kreise.
»Wie Mönche?« fragte Suko.
»Nein, anders. Heller. Beinahe schon weiß. Über die Köpfe hatten sie Kapuzen gestreift. Ich habe da mal Bilder gesehen. So laufen sie in den Südstaaten herum.«
»Ja, der Klan«, murmelte Suko.
»Was sagten Sie?«
»Nichts. Vergessen sie es.«
Der Pfarrer drehte den Kopf und schaute zum Fenster. »Sie sind noch da«, sagte er leise. »Sie sind gegangen, aber noch da. Sie wollten auf den Friedhof.«
»Und warum?«
Der Geistliche hob die Schultern. »So genau habe ich das nicht verstanden, aber ich meine, gehört zu haben, daß sie einen Toten holen wollten. Wegholen, einfach so. Verstehen Sie das?«
Suko hielt seine Antwort noch zurück, da ihm ein schrecklicher Verdacht gekommen war. »Es gibt nur einen Toten, an dem sie Interesse haben könnten«, sagte er. »Eben Horace F. Sinclair.«
»Der liegt noch in der Leichenhalle.«
»Das weiß ich. Zusammen mit seiner Frau.« Mehr zu sich selbst gewandt sprach Suko weiter. »Und in seinen Augen lag ein völlig anderer Ausdruck. Sie waren braun und…«
»Bitte?«
»Nichts«, murmelte Suko, der wieder mit Kopfschmerzattacken zu kämpfen hatte. Er konnte erst nachdenken, als sie etwas nachgelassen hatten. »Sinclair ist manipuliert worden. Wir müssen etwas tun.«
»Aber wir sind gefesselt«, wandte der Geistliche ein. Wie anklagend hob er die Arme an.
»Sie meine ich auch nicht.«
»Wen dann?«
»John Sinclair. Wir sind zusammen hergekommen. Nur wollten wir getrennt marschieren und gemeinsam zuschlagen. Das aber ist uns mißlungen. Schade.«
Der Pfarrer wußte nicht, welche Antwort er geben sollte. Er schaute dann zu, wie Suko sich von seiner Sitzfläche erhob und durch das Arbeitszimmer ging. Den Stuhl schleifte er hinter sich her. Er wollte einen Blick aus dem Fenster zum Friedhof hin werfen, denn dort mußte sich John aufhalten.
Es war nicht leicht mit dem Stuhl im Schlepptau. Er rutschte auch nicht glatt mit seinen vier Beinen über den Boden, sondern tanzte, kippte mal, wurde aber immer wieder durch Sukos Gehbewegungen gehalten. Einmal schleifte er an der Kante des Schreibtischs entlang und blieb in einer Schräglage hängen, als Suko vor dem Fenster stoppte. Mit der freien Hand schob er die Gardine zur Seite, um eine bessere Sicht zu haben. Einen großen Ausschnitt konnte er nicht erkennen. Sein Blick reichte soeben über die Mauer hinweg, und er sah auch dort, wie sich die Luft bewegte, denn da malte das Feuer seinen tanzenden Widerschein in die Luft und gab dem Friedhof ein gespenstisches Aussehen. Einige Bäume sahen aus, als würden die Flammen an ihnen hochkriechen wie lange Drachenzungen, die auch das Aussehen völlig veränderten. Sie erinnerten Suko an gespenstische Gestalten, die irgend jemand in grauer Vorzeit dort abgestellt und vergessen hatte.
Es gelang ihm nicht, die Anzahl der Flammenarme genau zu zählen. Irgendwo auf halber Höhe gingen sie ineinander über. Die Leichenhalle entdeckte Suko nicht. Da hätte er schon vor das Haus treten müssen.
Der Pfarrer war sehr nervös geworden. Als Suko sich wieder umdrehte, fragte er: »Wollen Sie wirklich hier raus?«
»Im Prinzip schon.«
»Das geht nicht«, flüsterte der Mann. »Man würde Sie nicht weit kommen lassen.«
Suko mußte für einen Moment die Augen schließen, weil er wieder mit den Schmerzen zu kämpfen hatte. »Ich muß aber weg«, flüsterte er. »Es hat alles keinen Sinn. Was soll ich hier?«
»Wollen Sie denn in den Tod laufen?«
»Haben die anderen davon gesprochen, daß sie mich oder auch Sie töten wollen?«
»Sie haben gedroht!« flüsterte der Pfarrer.
»Auch mit dem Tod?«
»Nein, nicht direkt. Sie haben von bereuen gesprochen, wenn wir Widerstand leisten sollten.«
»Das ist etwas anderes«, sagte Suko.
Für einen Moment atmete er scharf ein, weil wieder der Schmerz durch seinen Kopf schoß. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.
»Mit den Handschellen können wir nicht viel unternehmen, das steht fest. Ich
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