101 - Das Narbengesicht
Schwarzen Samurai zu. Da stolperte ich über den Schlangenfreak. Ich schlug der Länge lang hin. Bevor ich mich aufrichten konnte, war Jesse über mir. Die anderen Freaks waren starr vor Entsetzen. Jesse entwand mir die kostbare Klinge mit einem Griff.
Jetzt ist alles aus, durchzuckte es mich. Ohne das Schwert kann ich den Samurai nicht besiegen.
Ich warf mich herum und umklammerte Jesses Beine. Unter meinen Händen spürte ich die Nähte, die den Leib des Dämonendieners zusammenhielten. Jesse bäumte sich auf. Er schlug mit dem Schwert nach mir. Ich wich geschickt aus und sah, daß sich dicht neben mir ein Freak in Zuckungen wand. Jesse hatte ihn geköpft.
Bevor ich ihm das Schwert entreißen konnte, hatte er es dem Schwarzen Samurai zugeworfen.
Ich stöhnte verzweifelt, als ich sah, wie geschickt Tomotada die Klinge auffing. Er wollte zuerst Abi Flindt köpfen. Doch der Däne sprang trotz der Prellungen, die er erlitten hatte, aus der Reichweite der mörderischen Schwerthiebe.
Die Stimme des Keramikkopfes gellte schrill durch den Keller. Der Schwarze Samurai bahnte sich eine Gasse durch die Leiber der Freaks. Er rannte auf den Altar zu, um den Keramikkopf mit einem Schlag zu zerschmettern. Anscheinend konnte der Unheimliche die psychischen Wellen nicht ertragen.
Das Schwert sauste auf den Kopf nieder. Plötzlich leuchtete es grell auf dem Altar auf. Der Keramikkopf war verschwunden. Die Blutlache löste sich dampfend auf. Das Tomokirimaru drang knirschend durch den Altarstein und zerteilte ihn in zwei Hälften.
Die geheimnisvolle Kraft im Hintergrund hatte den Kopf rechtzeitig vor der Vernichtung bewahrt. Welcher Dämon stand hinter dem Keramikkopf? Derselbe, der vor vielen Jahrhunderten den Drachenfürsten für seine Zwecke eingespannt hatte?
Der Schwarze Samurai wirbelte herum und wandte sich den tobenden Freaks zu. Das Tomokirimaru wirbelte durch die Luft. Ein Freak nach dem andern sank tödlich getroffen in die Knie. Jesse schnitt den Flüchtenden den Weg ab und trieb sie in die Arme Tomotadas zurück.
Der Schwarze Samurai wütete wie ein Würgeengel.
Ich kniete neben Abi Flindt. Auf der Stirn des Dänen war eine Platzwunde. Er preßte die Rechte gegen die Brust. Offenbar waren einige seiner Rippen gebrochen.
„Seher dich zum Teufel!" zischte er mir zu. „Das hast du mir eingebrockt, verdammter Freak!" „Warum mußt du mir auch folgen? Jetzt kann ich nichts mehr für dich tun -Abi!"
Er runzelte erstaunt die Stirn.
„Du kennst meinen Vornamen? Was wird hier eigentlich gespielt?"
Bevor ich ihn zum Ausgang drängen konnte, geschah das Entsetzliche. Ein Freak hatte Jesses Gesicht berührt. Er wollte den Verräter zur Rechenschaft ziehen. Doch das war sein Verderben. Kaum hatte er die Hand zurückgezogen, als Jesses Gesicht verschwand. Dafür war der glatte, eiförmige Mujina-Kopf zu sehen. Der Freak brüllte wie ein gebrandmarkter Stier und verlor ebenfalls sein Gesicht.
„Nicht hinsehen!" warnte ich den Dänen und riß seinen Kopf an den Haaren herum. „Du wirst ebenfalls gesichtslos, wenn du hinsiehst!"
Flindt glaubte mir instinktiv. Er bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. Stöhnend sank er in die Knie.
Ich mußte mich orientieren, denn sonst würde mich der Schwarze Samurai ebenfalls niederstoßen. Dabei sah ich Jesse ins „Gesicht". Ich wurde von einer unsichtbaren Kraft hochgerissen. Mit mir geschah dasselbe, was den anderen Freaks geschah: Ich verlor mein Gesicht. Ein Blickkontakt genügte, um in den Bann der gesichtslosen Mujina zu geraten.
Ich wandte mich verzweifelt ab. Ich wußte, was jetzt geschah. Als ich noch Tomotada, der Schwarze Samurai, gewesen war, hatte ich diese schreckliche Kraft mehr als einmal angewandt.
Doch ich konnte noch sehen, hören und riechen.
In der Aufregung hatte ich die Verwandlung nicht bemerkt. Die Kraft der Mujina hatte die Maske Nara Pacudo getroffen. Zwei magische Kräfte waren aufeinandergestoßen: Die Kraft des Vexierers und die Gewalt der Mujina. Beide schlossen sich gegenseitig aus. Die Freakmaske löste sich auf, und ich war wieder Dorian Hunter.
Inzwischen waren alle Freaks blind und gesichtslos. Sie torkelten durch den Keller. Der Schwarze Samurai hielt einen Augenblick inne. Überall loderten Flammen empor. Die Tische, Kisten und Matratzen brannten lichterloh.
„Schnell raus hier, Abi. Wenn wir einem dieser Unglücklichen ins Gesicht sehen, sind wir verloren!"
Ich schob den fassungslosen Dänen aus der Kellertür.
„Dorian!"
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