101 - Der Unheimliche aus dem Sarkophag
Mord
ausgerechnet vor der Haustür begangen hat.“
„In diesem Fall war’s vor der Hoftür“,
berichtigte Larry mit dem Anflug eines Lächelns. „Genauigkeit der Beobachtung
ist maßgebend, Schwedengirl. Das hat sicher seine Bedeutung. Und wenn man den
Untersuchungsbericht, der uns zuging, auf Herz und Nieren überprüft, läßt sich
leicht erkennen, daß es daran nicht den geringsten Zweifel gibt. Es passierte
im Hof. Und es muß nachts gewesen sein. Das alles weiß man ziemlich genau. Die
Dame wurde erwürgt. Auch daran besteht kein Zweifel. Nur eins wundert mich:
weshalb hat Mercier, wenn wir davon ausgehen, daß er mit dem Mord wirklich
etwas zu tun hat, sich nicht die Zeit genommen, die Leiche wegzuschaffen, weit
weg?“
Morna zuckte die Achseln. „Vielleicht müßte
man die Kombination ganz anders anfangen“, meinte sie. Wie recht sie damit hatte, sollte Larry erst viel später erkennen, denn mit einem
einzigen Faktor, der ihm jetzt noch unbekannt war, änderte sich alles . . .
Sie gingen durch die abendlichen Straßen und
Gassen. Hin und wieder blieben sie vor einem Schaufenster stehen, und so wurde
es später, als Larry gehofft hatte.
Es war halb neun Uhr, als sie in die Straße
kamen, wo Jean Mercier wohnte.
In der Rue de Cevennes standen viele
Mietshäuser. Nur noch wenige Geschäfte, einige Lebensmittelläden, hatten noch
geöffnet. Die Türen zu Bars und Cafés standen weit offen.
Stimmengemurmel drang aus den Räumen. An den Häusern standen die Fenster offen.
Kinder lärmten, Radios und Fernsehgeräte liefen. Auf den Balkons spielte sich
ein Teil des Lebens ab.
Tische waren aufgestellt. Ganze Familien
hockten draußen.
„Wir sind nicht zu spät dran“, sagte Morna.
„Man wird dich noch mit offenen Armen empfangen.“
„In dem Bericht aus New York stand nicht, daß
Monsieur Mercier eine Frau oder Tochter hat, Schwedenfee.“
Fünf Minuten später standen sie vor dem Haus,
das sie interessierte. Hinten war es etwas ruhiger.
Offenbar wohnten hier meistens ältere Leute.
Kein Kindergebrüll, keine lauten Stimmen. Die
Fenster standen offen, Essensduft strömte auf die Straße. Musik war zu hören
und Menschen unterhielten sich.
Nur ein Balkon zur Straße war besetzt. Ein
älterer Mann saß dort, hörte eine politische Sendung und trank dazu ein Glas
Rotwein.
Man konnte ins Haus gehen, ohne erst irgendwo
läuten zu müssen.
Der Flur war alt und renovierungsbedürftig.
Hohe Decken, abblätternder Kalk an den Wänden.
Vom Korridor aus führten vier nach unten
gehende Sandsteinstufen zur klapprigen Holztür in den Hof. Dort sahen sie sich
zuerst um.
Alte Schuppen, schwarz angestrichen,
begrenzten das Grundstück zum Nachbarhof.
Hier hinten war es düster und lichtlos wie in
einem Schacht.
Am Haus war ein Gitter, dahinter eine Treppe.
Von hier außen aus konnte man direkt in den Keller gehen.
Es war ein sehr schmutziger Hinterhof, und es
gab viel Gerümpel.
Larry und Morna blickten sich um. Als sie
feststellten, daß niemand aus dem Haus und den Nachbargebäuden sie beobachtete,
überquerten sie den Hof und gingen hinüber zu der Stelle, wo man zwischen den
Resten einer alten, baufälligen Mauer und eines Schuppens die Tote gefunden
hatte.
Hier im dunkelsten Winkel war der Mord
passiert.
„Sie hat nicht geschrien und nicht einen
einzigen Laut von sich gegeben“, schüttelte Larry den Kopf. „Ich verstehe das
nicht. Wenn man die Recherchen der Polizei als endgültig hinnimmt, dann
bedeutet das beinahe, als hätte die Tote auf ihren Mörder gewartet. Und er war
schließlich da und brauchte nur noch seine Hände um ihren Hals zu legen. Dann
verschwand er wieder auf Nimmerwiedersehen. Komisch, nicht wahr?“
„Wenn man die genauen Hintergründe wüßte, ist
alles ganz einfach.“
„So ist es immer.“
Larry ging ins Haus, Morna blieb im dunklen
Hof zurück. Entweder hier oder auf der Straße vor dem Haus wollten sie wieder
Zusammentreffen.
Merciers Wohnung lag direkt unter dem Dach.
Fast alle Räume hinter den betreffenden
Fenstern waren dunkel. Es sah ganz so aus, als wäre der Mann, dem Larry einen
Besuch abstatten wollte, nicht zu Hause. Doch dann entdeckten sie hinter dem
hintersten Fenster einen schwachen, kaum wahrnehmbaren Lichtschein.
X-RAY-3 stieg die Holztreppe hoch. An dem
eisenvergitterten Lift hing ein mit roter Tusche gemaltes Schild, auf dem
stand, daß der Fahrstuhl außer Betrieb sei.
Fünf Stockwerke ging es hoch.
Seinem durchtrainierten Körper machte
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