101 - Der Unheimliche aus dem Sarkophag
Tisch, an
dem Mercier offensichtlich gesessen hatte. In einem Ascher entdeckte Larry eine
glimmende Zigarettenkippe.
X-RAY-3 stellte viele Fragen. Mercier
antwortete darauf. Offenbar wußte er selbst nicht, wieso ausgerechnet er in
Verdacht geraten war, mit dem mysteriösen Mordfall im Hof etwas zu tun zu
haben.
Gerade diesen Punkt erörterten sie sehr
genau. Das hatten auch schon die anderen getan, die vor X-RAY-3 in die Wohnung
kamen.
Was war passiert, daß Mercier auf gefallen
war?
Nicht viel, wenn man denjenigen glaubte, die
ihre Recherchen hier abgeschlossen hatten, nicht viel, wenn man Jean Merciers
Worten Glauben schenkte.
Er saß oft bis tief in die Nacht hinein. Dann
brannte Licht. In der Nachbarschaft sah man den Schein und die. Schatten, die
sich im Raum bewegten. Man konnte Mercier vom gegenüberliegenden Haus im
Nachbarhof ganz deutlich hier im Zimmer und an der bis zur Decke reichenden
Bücherwand hantieren sehen.
„Ich hatte die Angewohnheit, grundsätzlich
bei geöffnetem Fenster zu arbeiten, hier zu sitzen und zu lernen, zu schreiben,
je nachdem .. . ich habe nie einen Vorhang benutzt. -
Das ist jetzt anders geworden, seit dieser komischen Sache ...“
Sie unterhielten sich ausführlich über diese
Dinge und kamen dann auch auf alltägliche Themen zu sprechen. Das Gespräch
immer weiterführend, ließ Larry sich die ganze Wohnung zeigen.
Im Bücherschrank fielen ihm besonders viele
Werke über die ägyptische Kultur und alte Religionen auf.
„Sie interessieren sich besonders für das
Ägypten der Pharaonen?“ fragte Larry beiläufig, einen Band herausnehmend, der
roch, als wäre er in eine Gewürzmischung gefallen. Er blätterte flüchtig die
Seiten durch. In handkolorierten Darstellungen fand er viele Arten von Särgen und
Sarkophagen, Darstellungen von Göttern und Dämonen, deren Fratzen
furchteinflößend wirkten.
„Ich interessiere mich für alles“, lautete
die Antwort.
„Sie müssen viel Geld haben. Was arbeiten
Sie?“
„Ich arbeite überhaupt nichts. Meine
Forschungen lassen mir dazu keine Zeit.“
„Also sind Sie reich?“
„Nein! Ich lebe von dem, was mein Vater zu
seinen Lebzeiten gespart hat. Ich bemühe mich, den Stamm zu erhalten und nur
die Zinsen zu verbrauchen. Wenn man sich ein bißchen einschränkt, geht das.“
„Hm.“ Larry nickte. Überzeugt war er nicht.
Seltsam: das ganze Gespräch mit Jean Mercier
wirkte flach und nichtssagend. Er konnte sich nicht vorstellen, daß auch nur
einer von Tolbiacs Mitarbeitern dadurch zufriedengestellt worden wäre.
Da mußte es doch noch irgend
etwas geben, was den Besuchern vor ihm begegnet war, was sie dazu
veranlaßt hatte, so zu reagieren, wie sie reagiert hatten.
Larry steckte noch voller Zweifel.
Die anderen aber ...
Mercier zeigte ihm grinsend einen Schrumpf
köpf, den er aus dem mittleren Regal nahm. „Der ist echt“, freute er sich. „Und
der auch.“ Damit hielt er wie durch Zauberei plötzlich einen langen, schwarzen
Zopf in der Rechten.
Die geflochtene Haarform war mit duftendem Öl
dick eingeschmiert.
„Der Zopf von einer Mumie, ein einmaliges Sammlerstück“,
erklärte Mercier.
Die Quaste berührte Larry an der Stirn.
„Oh, entschuldigen Sie“, sagte Mercier noch,
aber es klang ganz anders als das, was er bisher gesagt hatte. Ein gewisses
Triumphgefühl schwang in den drei Worten mit.
Die Berührung mit dem Zopf hatte eine
eigenartige Wirkung. Larry wollte noch etwas sagen, aber die Worte entfielen
ihm.
Wie kam das?
Er kniff die Augen zusammen, auf seiner Stirn
entstand eine steile Falte, und gleichzeitig schlug in der Tiefe seines
Bewußtseins eine Alarmglocke an.
Das war es!
Er ahnte, was mit den anderen passiert war,
die hierherkamen, voller Zweifel wie er und die zufrieden wieder gegangen
waren...
Aber bei ihm funktionierte es nicht
hundertprozentig!
X-RAY-3 fühlte eine gewisse Zufriedenheit in
sich aufsteigen, daß das Gespräch mit Mercier sich in diese Richtung entwickelt
hatte.
Aber noch vor Sekunden hatte er ganz anders
gedacht.
Brent registrierte es, aber er reagierte
nicht so, daß es ihn verraten hätte.
Mit dem eingeölten Zopf hatte es etwas auf
sich! Auch Jean Mercier war nicht so unschuldig, wie er das aller Welt
vorgaukelte.
Etwas stimmte hier nicht...
Im Unterbewußtsein des PSA-Agenten existierte
eine hypnotische Barriere, die ansprach, ohne daß er selbst etwas dazu konnte.
Sobald ein fremder Wille ihn überwinden wollte, sobald andere Einflüsse
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