101 - Der Unheimliche aus dem Sarkophag
das
nichts aus. Er kam nicht mal außer Atem.
Hier oben gab es im Gegensatz zu den anderen
Etagen nur eine einzige Wohnung.
„Jean Mercier“ stand in schwarzen,
verschnörkelten Buchstaben auf einem Emailleschild.
Larry Brent klingelte und wartete ab.
Geräusche waren in der Wohnung. Im Flur ging
das Licht an. Die Tür wurde geöffnet.
„Monsieur?“ fragte der Franzose auf der
Türschwelle. Es war Jean Mercier. Larry schätzte ihn zwischen achtundvierzig
und fünfzig. Mercier hatte dunkles, schütteres Haar, fast eine Glatze. Er war
unrasiert und sehr blaß, und das um diese Jahreszeit. Entweder war er krank,
oder er kam so gut wie nicht aus dem Haus.
X-RAY-3 stellte sich vor. Er sprach
einwandfrei Französisch. Er sagte, daß Kommissar Tolbiac ihn schicke. Tolbiac,
ein routinierter und aufmerksamer Mitarbeiter der Mordkommission, war Larry
Brent nicht unbekannt. Tolbiac hatte die Untersuchungen geleitet, war aber
steckengeblieben. Er, der bereits die besten Erfahrungen mit der PSA gemacht
hatte, zögerte diesmal noch, Hilfe von dort anzufordern. Er ahnte nicht, daß
die PSA bereits von sich aus tätig geworden war, weil die Computer eine
vorsichtige Empfehlung ausgeworfen hatten.
Larry war ein ausgezeichneter Redner, während
er eine Lizenz vorwies, in der sein Paßbild klebte und sein voller Name stand.
Mercier warf nur einen flüchtigen
Blick darauf. Das Ganze schien ihn nicht sehr
zu interessieren.
„Wundert mich“, sagte er nur.
„Was wundert Sie?“
„Daß es noch mal losgeht! Seit Wochen ist die
Sache doch gelaufen. Und jetzt fängt es wieder an.“ Er schüttelte den Kopf und
sprach ein bißchen konfus, als hätte Larry ihn aus dem Schlaf geweckt oder wäre
er mit einer Sache beschäftigt gewesen, die seine ganze Aufmerksamkeit erforderte.
„Das kann ich Ihnen erklären“, bemerkte
Brent, während Mercier zurücktrat und den Besucher einließ.
„Ich bin Mitarbeiter einer Abteilung, die
sich besonders um außergewöhnliche Mordfälle kümmert. Wir werden international
tätig. Es kommt uns darauf an, Unschuldige zu schützen und die wirklich
Schuldigen zu finden. Das ist nicht immer leicht.“
„Wem sagen Sie das“, bemerkte Mercier, fuhr
sich über seine Fast-Glatze und seufzte.
„Bei Ihnen ist die Sache ziemlich verworren.
Die Gerüchte, die um Sie aufgebauscht wurden, haben das Bild noch mehr
verschleiert.“
„Die Leute reden viel, Monsieur. Ich weiß
nicht, wie sie darauf kommen, daß ausgerechnet ich .. . ach, was soll das Ganze? Es führt doch zu nichts ...“ Er winkte ab.
In der Wohnung roch es muffig und nach altem
Mobiliar.
Überall hingen oder standen alte Sachen
herum. Sie waren geschmackvoll zusammengestellt und von Staub und Rost
gesäubert. Die Sammlung an altmodischem Kram konnte sich sehen lassen.
Larry plauderte ruhig über seinen Auftrag. Er
behauptete, daß es ihm darauf ankäme, endlich Klarheit zu schaffen und dafür zu
sorgen, daß Mercier ein für allemal vom Makel des Verdachts befreit würde.
Die Wohnung war geräumig und verwinkelt. Es
gab viele schräge Wände unter dem Dach. Mercier lebte allein. Er war
Junggeselle.
In den Zimmern herrschte Ordnung, aber
Mercier selbst legte offenbar weniger Wert auf ein gepflegtes Aussehen.
Er trug ein verschwitztes, grau-rot
gestreiftes Hemd, dazu eine abgewetzte Cordhose.
Es ging durch eine dunkle Küche. Auf dem Herd
stand ein großer Topf, auf dem kein Deckel lag.
Mit einem Blick aus den Augenwinkeln
registrierte Larry die dicke, nach Zwiebeln und Knoblauch riechende Suppe.
Mercier schien sich für die nächsten fünf
Tage mit Eintopf eingedeckt zu haben, um nicht ständig kochen zu müssen.
Von der Küche führte eine Tür in ein kleines
Zimmer, halb Bibliothek, halb Arbeitsraum. Vor dem Fenster stand ein
Schreibtisch, darauf lagen mehrere Zeitschriften, viele Schreibblöcke und
anderes Papier, unter anderem auch aus Katalogen herausgerissene Seiten, auf
denen alte Kaffeemühlen, Musikinstrumente und handbemalte Töpfe und Vasen zu
sehen waren. Sie stammten offenbar aus einem Katalog für Sammler.
Unbemerkt und gründlich sah Larry sich um,
ohne daß seine Neugierde aufgefallen wäre.
Es gab viele Türen, die auf den kleinen,
handtuchschmalen Korridor mündeten. Hier oben hätte eine achtköpfige Familie
hausen können, soviel Platz gab es. Aber Mercier brauchte die zahlreichen
Räume, um seinen ganzen Sammlerkram zu horten und richtig zur Geltung zu
bringen.
Eine kleine Lampe beleuchtete den
Weitere Kostenlose Bücher