101 - Der Unheimliche aus dem Sarkophag
den Tod brachte.
Hart traf der Blutstrahl aus der klaffenden
Wunde Mireilles Gesicht.
Mit einer müden Bewegung fuhr sie sich über
das Gesicht, um das Blut wegzuwischen.
Kalt und unpersönlich starrte Mireille auf das
zusammenbrechende Fotomodell. Danielle fiel mit dem Gesicht direkt vor ihre
Füße.
Die Bluse der Besucherin war aufgerissen, der
Rücken zwischen den Schulterblättern klaffte auseinander, als wäre dort der
geschliffene Stahl einer Axt hineingefahren.
●
Die Kunststudentin bückte sich.
Danielle Perin rührte sich nicht mehr.
„Entschuldige“, murmelte Mireille, „ich
wollte nicht, daß sie dich im Schlaf stört.“ Sie schob die blutüberströmte
Leiche einfach zur Seite. „Nun hat sie auch noch den Kleiderständer umgeworfen.
Sie ist ein hektisches Frauenzimmer. Wenn sie auf taucht, dann ist immer etwas
los. Das war noch nie anders gewesen. Ich kenne sie genau.“ Mireille hob den
Kopf und richtete den Blick auf den gutaussehenden Mann, dem ihre ganze Liebe
gehörte.
Sie sah ihn lächeln. Er streichelte sie. Es
war angenehm, seine Hände auf ihrem Gesicht zu spüren.
„Ich werde alles aufräumen. Wir können die
Kleider doch nicht einfach liegen lassen.“
Für ihn wollte sie alles tun
. ..
Mireille Lecure sah nicht die wirkliche Gestalt
des Unheimlichen, wie Danielle Perin sie gesehen hatte.
Ein furchteinflößendes, aller Beschreibung
spottendes Ungetüm stand vor ihr.
Der gedrungene Schädel mit den leeren
Augenhöhlen auf den etwas herabfallenden Schultern war noch das wenigste. Das
in der letzten Nacht noch rund wirkende Gesicht war nun in die Länge gezogen.
Dolchartige Zähne wie bei einem Vampir ragten über die ausgefransten,
lederartigen Lippen.
Am Hals hatten sich kurze, kräftige Arme
entwickelt, ebenso unter den Achselhöhlen. Und genau darunter sah man bereits
die Ansätze eines weiteren Armpaares.
Die Schreckensmumie entwickelte
sich zu Orus, dem unheimlichen Gott, dessen
Name niemand mehr kannte!
●
Mireille Lecure war dabei, die Leiche in die
hinterste Ecke zu schieben.
Die hypnotischen Kräfte, die dabei auf sie
wirkten - die Trugbilder, die Ak-Hom alias Orus aussandte - erfüllten ihren
Zweck.
Mireille Lecure vernahm das quietschende
Geräusch vor dem Haus. Ein Wagen hielt.
Sie hörte Stimmen.
Die Französin stand direkt neben dem Fenster,
vor dem der Laden herabgelassen war.
Die Kunststudentin warf einen Blick durch den
Spalt nach draußen auf die staubige, sonnenüberflutete Straße.
Polizisten?
Sie verlor die Männer aus den Augen.
Dann klingelte es.
Mireille Lecure zuckte zusammen. Was wollten
die hier?
Sie verließ das Schlafzimmer, zog die Tür
hinter sich zu, hinter der sie ihren Liebhaber verbarg, und lief in den
Korridor.
Ihre Hände waren blutverschmiert von der
Leiche, die sie eben noch berührt hatte.
Und so öffnete sie den Leuten von Marcel Tolbiac ...
●
„Kommen Sie, schnell!“
Morna Ulbrandson folgte der Schwester, die
sie empfangen hatte.
Die Schwedin war sofort ins Hospital
gefahren, als der Telefonanruf sie erreichte.
Darauf hatte Larry gewartet.
Roger Locon war wach geworden und hatte nach
dem Agenten verlangt.
Doch Larry war im Moment nicht da. Durch eine
Nachricht, die er hinterlassen hatte, wußte die Schwedin, daß er mit Marcel
Tolbiac unterwegs war.
Morna betrat hinter der Schwester das
Krankenzimmer.
Roger Locon lag allein.
An seinem Bett war eine Infusion befestigt,
aber sie war im Moment nicht angeschlossen.
Der große Franzose mit dem ausdrucksstarken
Gesicht lag bleich und apathisch da, die Augen halb geschlossen.
Als die Tür klappte, hob er die Augenlider.
„Monsieur . .. Brent?“ fragte er leise und mit schwerer Zunge.
X-GIRL-C trat ans Bett. „Nein, ich
bin es, Morna Ulbrandson.“
„Ich hätte ... gern ... Monsieur Brent . .. gesprochen.“
„Ich weiß. Ich bin hier - für ihn. Er hat
mich beauftragt, mit Ihnen zu sprechen, sobald Sie aus der Ohnmacht erwachen.“
Morna warf der Schwester einen Blick zu, die ihr mit stummer Geste zu verstehen
gab, bei Bedarf die Klingel zu drücken. Außerdem war abgesprochen, daß Morna
auf keinen Fall länger als eine Viertelstunde blieb. Darauf bestand der Arzt. X-GIRL-C
respektierte diese Anordnung und wollte sich auch daran halten.
„Ohnmacht..." echote Locon, und es klang
fast spöttisch, wie er es sagte. „Ich bin nicht schwach geworden - es war etwas
anderes ... darüber wollte ich sprechen .. der Kampf
mit der
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