101 - Gangster in London
du glaubst. Das laß ich dem Jungen nicht durchgehen - darauf kannst du dich verlassen!«
»Und von dem Mädel darfst du dir das auch nicht gefallen lassen!« rief sie wild.
Kerky lächelte: - »Warte nur!« sagte er bedeutungsvoll. Aber am nächsten Morgen trat ein Ereignis ein, das den Gedanken an Leslie bei ihm ausschaltete. Cuthbert Drood war ein Forschungsreisender von internationalem Ruf. Er galt als ein tüchtiger Jäger und hatte schon manche Expedition nach Afrika und Indien unternommen - ein Mann jedenfalls, dessen Mut über jeden Zweifel erhaben war. Außerdem gehörte er zu den wenigen Colonels, die ihren Titel nicht führten. Er war groß und schlank und hatte blonde Haare, eine verhältnismäßig helle Gesichtsfarbe, verstand ausgezeichnet zu boxen, war einer der besten Pistolenschützen und Junggeselle.
Cuthbert Drood wandte sich nicht sofort an die Polizei, als er eines Morgens gleich zwei Drohbriefe erhielt, einen blauen und einen grünen. Etwas Besseres konnte ihm nicht passieren: Die Sache machte ihm ungeheuren Spaß, und er rief sofort eine Nachrichtenagentur an. »In der letzten Zeit scheinen sich die Leute, die Drohbriefe erhalten, nicht mehr vorzuwagen«, sagte er. »Lieber zahlen sie. Die Polizei hat auch eine Heidenangst und sucht die Geschichte zu vertuschen. Deshalb möchte ich Ihnen, bevor ich mich an Scotland Yard wende, davon Mitteilung machen, daß ich sogar zwei Drohbriefe zu gleicher Zeit bekommen habe.«
Ein paar Minuten später hatte er sich mit Terry Weston verbinden lassen und erklärte dein Chefinspektor, was sich zugetragen hatte. Er verschwieg auch nicht, daß er die Presse verständigt habe. »Meiner Meinung nach kann die Öffentlichkeit gar nicht genug davon erfahren!« erklärte er.
Terry machte Drood später einen Besuch und wurde in die Bibliothek geführt, wo der Colonel mit einem halben Dutzend sonnengebräunter Männer von verschiedenem Alter saß. Vor jedem stand ein Glas Whisky. Terry wurde vorgestellt und erfuhr, daß die Herren Jagdgefährten des mutigen Cuthbert waren.
»Wir wollen diese Kerle schon in die Flucht schlagen, wenn sie ihr Geld holen kommen!« meinte Drood. »Meine Freunde werden hier schlafen. Dem Personal habe ich so lange Urlaub gegeben. Wir freuen uns schon auf eine tüchtige Schießerei!«
Als Terry ihn verließ, hatte er eine interessante Tatsache festgestellt. Der blaue Brief war einen Tag früher abgeschickt als der grüne. Weil er aber an eine andere Wohnung Droods adressiert war, die dieser zur Zeit vermietet hatte, wurde er gleichzeitig mit dem grünen Brief ausgetragen.
Terry holte Jiggs ab und erzählte ihm alles. »Ich habe«, sagte Allerman, »schon in den Abendblättern davon gelesen. Es wird jetzt Komplikationen geben. Eines ist gewiß: Die Blauen und die Grünen haben ein Abkommen getroffen - vermutlich kurze Zeit nach der Ermordung Decadons. Sie haben das wohlhabende London unter sich aufgeteilt und ausgemacht, daß die eine Bande der anderen nicht in die Quere kommen darf. Die doppelte Adresse erklärt, warum Drood zwei Aufforderungen erhielt. Die Blauen haben ihren Brief in die Ebury Street geschickt, weil sie glaubten, daß er dort wohne; und die Grünen sandten ihre Drohung in die Park Street. Die Frage dreht sich jetzt nicht darum, ob Herr Drood und seine Freunde mit den Gangstern fertig werden, sondern darum, wie sich die Grünen zu den Blauen stellen und umgekehrt. Ich würde viel Geld dafür geben, wenn ich jetzt die Telefongespräche belauschen könnte, die zwischen den beiden Lagern geführt werden!«
Der Captain hatte nur zu recht: Kerky Smith sprach eben von seinem Hotel aus mit Eddie Tanner, der sich in Leslies früherem Büro befand. Drei sehr gut aussehende junge Leute saßen ihm gegenüber und hielten die Hüte auf dem Schoß. »Ganz gewiß«, sagte Eddie gerade, »ich habe es in der Zeitung gelesen... Jemand hat Briefe von beiden Parteien bekommen.« »Ja«, entgegnete Kerky freundlich. »Die Blauen haben fünftausend Pfund verlangt; der kleine Gangster, der die Grünen befehligt, wäre mit zweitausend zufrieden gewesen. Ich glaube, daß der Größere hier den Vorrang hat.«
Eddie lächelte. »Nein, das haben Sie falsch verstanden! Der größere Mann ist nicht derjenige, der das Maul am weitesten aufreißt!«
Kerky dachte eine Weile nach, bevor er antwortete: »Nun, auf jeden Fall wird keiner etwas bekommen. Dieser Drood ist ein alter Kriegsveteran, und Revolver sind für ihn nichts
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