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101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

Titel: 101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Namenkunde übliche Maß (etwa Abdallah mit der Bedeutung «Gottesknecht») hinausgehen, indem sie eine speziell auf die erzählte Geschichte bezogene Bedeutung haben. Wir kennen solche Namen aus der europäischen Märchentradition, etwa «Schneewittchen» oder «Dornröschen». Analog unseren deutschen Komposita sind auch die arabischen sprechenden Namen oft aus zwei Nomina zusammengesetzt und bilden eine sogenannte Genitivverbindung. Beispiele aus Hundertundeine Nacht sind: Sahr al-Basatîn (zahr + al-basātīn) «Blüte der Gärten», Nâ’irat al-Ischrâk (n ā ʾ ira + al-išrāq) «Der strahlende Sonnenaufgang» oder auch Mudhill al-Akrân ( mu ḏ ill + al-aqrān) «Der seine Gegner erniedrigt». Wo die Namensbedeutung für die Geschichte relevant ist, habe ich sie bei der ersten Nennung des Namens – und nur dort – in die Übersetzung übernommen.
    Mündlichkeit und Schriftlichkeit
    Wie bei jedem Werk der Erzählliteratur ist auch für Hundertundeine Nacht die Frage nach der Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit von Konzeption, Überlieferung und Rezeption ganz zentral. Selbstverständlich hat es irgendwann neben oder vor der schriftlichen auch eine mündliche Tradition von Hundertundeine Nacht gegeben, und sei es nur für einzelne Geschichten. Dennoch spricht manches dafür, von einer relativ frühen Verschriftlichung und daran anschließender längerer schriftlicher Tradition auszugehen. An typischen Abschreibefehlern, die noch thematisiert werden, erkennen wir unzweifelhaft, dass auch unserer Handschrift eine schriftliche Vorlage zugrunde gelegen haben muss und sie nicht Produkt freier mündlicher Ausformulierung oder rein mündlicher Überlieferung sein kann.
    Obwohl es sich um einen Erzähl- und Vortragstext handelt und obwohl auch in Hundertundeine Nacht das Echo des mündlichen Erzählens im Text noch zu vernehmen ist, enthält unsere Handschrift insgesamt weniger Elemente von Mündlichkeit, als dies etwa bei der «Galland-Handschrift» von Tausendundeine Nacht der Fall ist. Der Text jener Handschrift aus dem 15. Jahrhundert ist deutlich umgangssprachlich geprägt, mit manchmal recht derbem Vokabular. Demgegenüber kommt Hundertundeine Nacht ungleich literarischer daher. Der hocharabische Standard wird stets angestrebt, wenn auch nicht immer erreicht; umgangssprachliche Formen und Wendungen sind zwar durchgängig vorhanden, bilden aber auch in Dialogen eher die Ausnahme (s. S. 275 f.).
    Für den «Sitz im Leben» der Handschrift sind zudem einige Bemerkungen redaktioneller Art von Bedeutung. Die 43. Nacht endet mit der ungewöhnlichen Formulierung:
    An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad, und das war’s. Salâm! (wa-s-salām) .
    Man könnte die abschließenden Worte zugespitzt auch als «Und tschüs!» wiedergeben. Offenkundig hatte der Schreiber hier keine Geduld mehr für die vollständige Nachtformel und verabschiedet sich von seinen Lesern auf saloppe Weise.
    Ebenso interessant sind erläuternde Bemerkungen zum Inhalt der Geschichten, etwa wenn es heißt:
    (…) bemerkte der Fischer etwas, das im Wasser strampelte . Also im Nil.
    Als der Scheich auf den Thron zutrat, um den Rubin von seiner Stirn zu pflücken – gemeint ist: von der Stirn des Alten (…)
    Die Erläuterungen «Also …» bzw. «gemeint ist … » sind nicht Teil der eigentlichen Geschichte. Es handelt sich vielmehr um Notizen «zwischen den Zeilen». Unbekannte Leser oder Besitzer einer Vorgängerhandschrift haben diese Bemerkungen zwischen die Zeilen geschrieben. Mit ihren Notizen wollten sie späteren Lesern etwas mitteilen, in unserem konkreten Fall nämlich, auf wessen Stirn der Rubin sitzt bzw. von welchem Wasser die Rede ist. Diese sogenannten Interlinearglossen wurden dann beim Abschreiben der Handschrift in den Text der neuen Kopie integriert, wie dies bei arabischen Handschriften öfter einmal vorkommt.
    Was aber tut eine Übersetzung mit solchen Phänomenen? Durch eine klärende Bereinigung in der Übersetzung könnten die Hindernisse eingeebnet werden, etwa so:
    (…) bemerkte der Fischer etwas, das im Wasser des Nils strampelte.
    Als der Scheich auf den Thron zutrat , um den Rubin von der Stirn des Alten zu pflücken, …
    Damit würden jedoch wichtige Informationen verloren gehen. Denn solche quasi unbewussten redaktionellen Kommentare sind gleichzeitig auch als Relikt der konzeptionellen Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit des Erzähltexts zu werten. Sie zeigen uns Spuren der Welt, in der der Text

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