101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
entstand, und tragen als solche zum Charakter des Texts bei. Daher sind sie unverzichtbare Bestandteile der vorliegenden Übersetzung.
Schließlich finden wir im Text auch Spuren redaktioneller Eingriffe in noch früheren Überlieferungsstadien. Gemeint sind Kommentare mit dem Wortlaut:
Doch der Herr des Verborgenen lenkt das Verborgene, wie es Ihm gefällt.
Hier spricht offenkundig eine auktoriale Instanz, die den Ausgang der Geschichte bereits kennt und angesichts der aktuellen Verwicklungen einen anderen Ausgang als den vom Adressaten erwarteten antizipiert. Die in Hundertundeine Nacht mehrfach in besonders dramatischen Situationen angebrachte Bemerkung rückt das Geschehen außerdem in einen islamischen Glaubenszusammenhang.
Sprache und Stil
Arabisch ist eine semitische Sprache und als solche von der indogermanischen Sprachfamilie in Syntax, Lexik, Morphologie und anderen Bereichen der Grammatik deutlich verschieden. Die dreiradikalige Wurzel mit ihren oft mehrdeutigen bis gegensätzlichen Ableitungen, das typisch semitische Gefüge der Erzählzeiten mit Tempus und Aspekt, die Wortstellung im Verbalsatz mit dem vorangestellten Verb, die geradezu überbordende Fülle an Präpositionen, die vielen Synonyme, die parataktische Reihung statt der für das Indogermanische typischen hypotaktischen Gliederung, die strukturierende Funktion von Konjunktionen anstelle unserer Satzzeichen – so vieles ist anders als im Deutschen oder auch im Lateinischen und den uns näher verwandten Sprachen. Das klassische Arabisch des Mittelalters ist zwar dem modernen Hocharabisch erheblich näher als etwa das zeitgleiche Mittelhochdeutsche dem modernen Neuhochdeutsch. Dennoch ist auch die große zeitliche Spannweite zwischen Original und Übersetzung eine Herausforderung.
Die arabische Literatur etablierte sich unter ständiger Bezugnahme auf das sprachliche Ideal des Korans und der vorislamischen arabischen Dichtung ab dem 8. Jahrhundert vornehmlich im arabischen Osten, also in den großen Städten und Kulturzentren wie Bagdad, Damaskus, Mekka und Medina, noch weiter östlich in Rayy (bei Teheran), Schiras und Buchara, bald dann auch in Kairo und in den Städten des nordafrikanischen Maghreb. Arabisch war die Lingua franca eines ganzen Weltreichs. Auch in al-Andalus, dem Entstehungsort unserer Handschrift, wurde die arabische Literatur seit derfrühesten Zeit der arabischen Besiedlung gepflegt, allerdings orientierte sie sich jahrhundertelang sehr eng an der Literatur des Ostens. Die meisten maurisch-spanischen Literaten wurden in den Städten des Orients ausgebildet; die arabische Literatur des Ostens galt als stilprägend und vorbildhaft. Erst im 11. und 12. Jahrhundert hat die arabische Literatur Spaniens eigene Züge entwickelt. In dieser Zeit erlebte sie auch mit fünf bis sieben Millionen Arabisch Sprechenden ihre Hochblüte. 4 Allerdings hatte das Arabische in al-Andalus schon lange zuvor das Lateinische als Schrift- und Literatursprache und die romanischen Dialekte als Umgangssprache verdrängt. Schon im 9. Jahrhundert beklagt sich Alvarus von Cordoba darüber, dass die Christen in Spanien ihre eigene Sprache vergessen hätten und kaum noch einen Brief auf Latein verfassen könnten, dafür aber arabische Gedichte komponierten, die besser seien als die der Araber selbst.
In der andalusisch-arabischen Literatur wurde offensichtlich besonderer Wert auf ein niveauvolles klassisches Arabisch gelegt. So konstatiert der arabische Autor al-Maqqarī, die Andalusier seien sehr kompetent im Abfassen hocharabischer Texte und bräuchten den Vergleich mit den orientalischen Arabern nicht zu scheuen. 5
Diese Aussage passt zu dem Eindruck, den man als Leser der Aga-Khan-Handschrift von Hundertundeine Nacht gewinnt: Der Text ist insgesamt ein Dokument klassischer arabischer Erzählprosa, wenn auch von ganz individuellem Charakter. Daher erscheint auch für die deutsche Übersetzung ein etwas gehobener literarischer Stil angemessen. Zugleich haben wir es – auch sprachlich – mit Unterhaltungsliteratur zu tun. Darum sollte die Übersetzung bei aller Gediegenheit, bei aller historischen und philologischen Treue den Charakter von Unterhaltungsliteratur behalten, sie sollte so spannend und unmittelbar verständlich sein wie das Original. Die Leser und Hörer der Übersetzung sollen Spaß haben, genau wie die Leser und Hörer des Originals.
Regionale Besonderheiten
Mit ihrer zwar klassischen, gleichzeitig aber auch sehr individuellen
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