101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
die Variante «Fihdās» bzw. «Fahdās» ( فهداس ) in der oben erwähnten bibliographischen Notiz bei Ḥ ā ǧǧ ī Ḫ alīfa (s. S. 245). Wie also ist der Name unseres Erzählers zu lesen und in der Übersetzung wiederzugeben?
Unsere Handschrift ergänzt an vier Stellen die Vokale eindeutig zu der Namensform «Faharāyis» (3., 5., 6. und 9. Nacht), an vier anderen Stellen zu «Fahrāyis» (11.–14. Nacht). Die restlichen vier Stellen (4., 7., 8. und 10. Nacht) sind nicht oder nicht eindeutig vokalisiert. Bei seinem ersten Vorkommen (2. Nacht) ist gar nur der Anfangsbuchstabe des Namens lesbar. Ich habe mich für die zuerst genannte Form «Faharāyis» entschieden. Sie hat für die Lesbarkeit im Deutschen den Vorteil, dass das h , wie im Arabischen, als vollwertiger Konsonant auftritt (wie im deutschen Ausruf aha! ) und nicht als Vokallängung ( ah = «langes a») missverstanden werden kann.
In der Edition Ṭ aršūna, auf die ich mich in der 86. bis 101. Nacht gestützt habe, fehlt im Namen des Philosophen der Halbvokal y mit dem anschließenden Kurzvokal; dort muss folglich «Fihrās» oder «Fahrās» oder auch «Faharās» gelesen werden. Aus Gründen der Einheitlichkeit steht nun in der Übersetzung auch dort «Faharâyis».
Doch steht der fiktive Erzähler nicht nur am Anfang der Erzählung. Oft begegnet an Abschnittsanfängen im Text die Einschaltung qāla «er sagte», mit der sich Faharâyis, der Philosoph, kurz ins Bild rückt und so immer wieder als Autorität in Erinnerung ruft. Auf dieser obersten Erzählebene wird in der Übersetzung konsequent historisches Präsens verwendet («Er spricht» statt «Er sprach») . Steht die Einschaltung zu Anfang der Nächte, so übersetze ich sie als «Er spricht» bzw. «So spricht Faharâyis, der Philosoph» , im weiteren Verlauf als «Er berichtet weiter» oder «Es wird erzählt» .
Ebene 2: Die Rahmengeschichte
Die einzelnen Geschichten aus Hundertundeine Nacht entstammen der Rede, der Phantasie und dem Bildungshorizont Schahrasads. Mit der Unterstützung ihrer jüngeren Schwester Danisad gelingt es der klugen Wesirstochter von Nacht zu Nacht, die Neugier des Königs wachzuhalten und damit selbst am Leben zu bleiben. Wie das geschieht, erzählt uns die Rahmengeschichte von Hundertundeine Nacht. Zu ihr gehören drei verschiedene Elemente: Erstens der ausführliche Prolog, in dem berichtet wird, wie es zu den nächtlichen Szenen kommt, zweitens die Nachtformel, durch die Schahrasads Erzählungen Nacht für Nacht unterbrochen werden, und drittens der kurze Epilog, der das ganze Werk beschließt und den glücklichen Ausgang von Schahrasads Geschichte mit dem Sultan verkündet.
Von Prolog und Epilog war bereits die Rede (s. S. 250 ff.). Die Nachtformel, mit der die Erzählung von Mal zu Mal unterbrochen wird, ist in Hundertundeine Nacht etwas länger und ausführlicher als in Tausendundeine Nacht . Wir erleben jede Nacht aufs Neue, wie der König, entzückt von Schahrasads Geschichte, aufsteht, das Gemach, in dem sie sich befindet, sorgfältig verschließt und versiegelt und sich an seine Regierungsgeschäfte begibt, um in der darauffolgenden Nacht sein Siegel wieder zu lösen und nach einer Zeit der Liebe und des Schlummers der Geschichte weiter zuzuhören, zu der Danisad ihre Schwester aufruft.
Die Nachtformel von Hundertundeine Nacht ist relativ gleichmäßig formuliert und enthält nur wenige, eher unbedeutende Varianten, die jedoch sämtlich getreu in die Übersetzung eingegangen sind. Etwas größer ist der Kontrast zu den verkürzten Nachtformeln, die ab Nacht 57 mit wenigen Ausnahmen bis zum Schluss der Handschrift das Bild bestimmen. Sie wurden ebenfalls in ihrer Kürze übersetzt, auch wenn dabei vielleicht etwas von der Vorstellungskraft der nächtlichen Erzählsitzung verloren geht, denn wir erfahren hier nicht mehr von der Liebesnacht des Königs mit Schahrasad. Ab Nacht 85 ändert sich mit der Textvorlage auch die Nachtformel, die nun im zugrunde liegenden Original – nämlich der Edition Ṭ aršūna und deren handschriftlichen Vorlagen – noch radikaler gekürzt erscheint. Auch das Ereignis des Tagesanbruchs ist ab hier auf wenige lakonische Worte verdichtet.
Für Schahrasads Namen wurde, wie schon bei der Neuübersetzung von Tausendundeine Nacht , die arabische Namensform (« Šahrazād », vereinfachte Umschrift «Schahrasad») anstatt der persisch-französischen («Scheherazade») gewählt. Denn obwohl der Name persischen
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