101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
Maria, die Tochter des Abdalmasîh. Ihr Vater war nämlich inzwischen gestorben, und sie hatte den Thron geerbt. Ihr Cousin gehörte nun zu ihrem Hofstaat. Sie hatte aber ihren Leuten den Befehl erteilt, einen jeglichen Gefangenen, der aus Syrien käme, ihr persönlich vorzuführen.
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die vierzigste Nacht
Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
Da rief ihre Schwester Danisad ihr zu: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
Als das Mädchen Maslama sah, erkannte sie ihn sofort. Sie schickte ihren Hofstaat hinaus und verschwand selbst für eine Weile. Dann kam sie in Begleitung einer alten Frau zurück. «Das ist Maslama», erklärte sie ihr, «und er hat dies und jenes für mich getan.» Mit diesen Worten befreite sie ihn von seinen Fesseln und führte ihn ins Gästehaus. Ihr Cousin war bis zu diesem Zeitpunkt nicht zugegen gewesen. Maslama blieb, bis der junge Mann zurückkehrte und sie ihm alles erzählt hatte. Dann trat er bei ihm ein und begrüßte ihn. Anschließend blieb er noch einige Tage und genoss Essen und Trinken.
DannführtesieeinMädchenvonsiebenJahrenundvollkommenerSchönheitzuihm.«DiesesMädchen, o König», sagte sie , «mögedeineSklavinundDienerinsein.DennichhabeeinGelöbnisgetanundmirauferlegt,dassichdasKind,dasmirgeborenwürde,seieseinJungeodereinMädchen,dirzumGeschenkmachenwürde.NunhatmirGottdiesesMädchengeschenkt,alsonimmsievonmiran.»DazugabsieihmnochzweihundertchristlicheDienstmädchen,außerdemSchätzeausdenköniglichenSchatzkammern.SieschenkteihmeinedlesRossundschickteberitteneSoldatenmit,dieihninseineHeimatgeleitensollten.Sienahm von ihm Abschied, und er machte sich auf den Weg zu seiner Familie.
Er zog in Damaskus ein und lebte fortan vergnügt mit dem Mädchen, aß und trank sich satt an den köstlichsten Speisen und Getränken, bis das sichere Ende sie ereilte. Lob sei Gott, dem Herrn der Weltbewohner!
Die Geschichte vom jungen Ägypter und dem Mädchen Gharîbat al-Husn
~ Die Leute behaupten, o König, fuhr sie fort zu erzählen, ~ dass es einmal einen jungen Mann gab, einen von den Kaufmannssöhnen, der hatte ein hübsches Gesicht und eine anmutige Figur. Er wohnte in Kairo. Sein liebster Zeitvertreib war das Lesen.
Eines Tages saß er vor der Tür seines Hauses und las ein Buch, als plötzlich ein Mädchen an ihm vorbeispazierte. Sie glich dem aufgehenden Mond oder einer ungezähmten Gazelle, die frei weidend sich an frischem Grase gütlich tut.
Das Mädchen kam heran, bis sie nahe vor dem jungen Mann stand. « Bist du es», sprach sie ihn an , indem sie den Schleier von ihrem Gesicht hob, «der sich den Umgang mit den Frauen verboten hat?»
Als der junge Mann das Mädchen sah, sank er ohnmächtig zu Boden. Sie ging davon und ließ ihn liegen. Sofort sprang er wieder auf und lief ihr hinterher, bis sie zu einem Wohnhaus gelangte. Sie klopfte an die Tür, und ihr wurde aufgetan.
Im Herzen des jungen Mannes aber war eine unbeschreibliche Liebe zu dem Mädchen entbrannt. Während er den Weg, den er gekommen war, zurückging, stimmte er die Verse an:
[ Kâmil ]
«W ie der Vollmond zwischen Sternen strahlt ihre Gestalt,
Einen Gürtel aus schwarzen Locken hat sie umgeschnallt.
Die Leidenschaft hat ihre Hüften mit Lust getränkt,
Und sie neigen sich wie weiche Zweige im Blätterwald.
Wenn sie lächelt, zeigt sie Kamillenblüten, so weiß und gelb
Und rot ist alles, was zwischen ihren Lippen strahlt.
Sie spielt mit meinem verliebten Herz, das mit Flügeln schlägt
Wie ein Spatz in der Hand eines spielenden Kinds sich erwehrt
derGewalt.»
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die einundvierzigste Nacht
Er spricht:
Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
Da rief ihre Schwester Danisad ihr zu: ~ Ach, meine
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