101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
und begab sich zu den Truppen, also zu der Armee von Suleiman Ibn Abdalmalik.
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die achtunddreißigste Nacht
Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
Da rief ihre Schwester Danisad ihr zu: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
Mit den Geschenken machte sich auch Namarîk auf den Weg. Er trug prächtige Gewänder. Vor ihm marschierten seine Diener in kunstvoll gefertigten eisernen Rüstungen und mit vergoldeten Gürteln um die Taillen. Er schickte zu Suleiman und seinem Vater. Sie trafen aufeinander, und Namarîk und seine Leute begrüßten die beiden. Und so kam es, dass Suleiman mit dem Mädchen Kamar al-Asrâr vermählt wurde.
Im ganzen Land veranstaltete man ein großes Fest. Kühe, Ziegen und Schafe wurden geschlachtet, Kamele mit einem Schnitt in den Hals zu Tode gebracht. Wein wurde ausgeschenkt, und von überall her ertönten Pandoren, Lauten und Leiern zusammen mit dem hellen Klang der Fingerzimbeln und vergnügtem Gesang.
Suleiman aber vereinigte sich mit dem Mädchen und erkannte, dass sie wunderschön war. Dreißig Tage lang blieb er mit ihr zusammen, aß und trank sich satt an den köstlichsten Speisen und Getränken, dann nahm das Mädchen Abschied von ihrem Vater, und sie reisten beide nach Damaskus, nicht ohne zuvor sämtlichen Schmuck und alle Gewänder, alle Schätze, das ganze Geld und alle Sklaven mitgenommen zu haben, die sich im Schloss befunden hatten. Als sie Damaskus erreichten, wurde ihnen eine festliche Parade bereitet. Und so lebte Suleiman mit dem Mädchen vergnügt, aß und trank sich satt an den köstlichsten Speisen und Getränken, bis das sichere Ende sie beide ereilte. Lob sei Gott, dem Herrn der Weltbewohner!
Die Geschichte von Maslama Ibn Abdalmalik Ibn Marwân
~ Die Leute behaupten, o König, fuhr sie fort zu erzählen, ~ dass Maslama, der Sohn des Kalifen Abdalmalik Ibn Marwân, eines Tages mit einer Schar seiner Freunde zur Jagd und Hatz ausgeritten war. Plötzlich sprang ein Rudel Antilopen vor ihnen auf. Maslama jagte einem der Tiere hinterher und fand danach nicht zu seinen Gefährten zurück. Die Nacht brach herein, und noch immer hatte er sie nicht wiedergefunden. Er legte sich irgendwo in der wasserlosen Wüste schlafen. Am nächsten Morgen stieg er wieder auf sein Pferd und irrte umher, bis er an ein hohes Plateau kam. Er ritt hinauf und fand dahinter ein Wadi, reich an Früchten und Bäumen. Dorthin wandte er sich, da ihm auch die Sonne schon zu heiß geworden war. Er stieg von seinem Pferd, trank aus dem Fluss und genoss den Schatten jener Bäume. Als er sich dabei zufällig umwandte, traf sein Blick ein Mädchen von so schöner Gestalt, dass man sie für das edelste Geschöpf Gottes halten musste. Sie trug Kleider aus Brokat und hielt ein Tablett aus Bambus in der Hand. Es war, als strahlten Lichter unter den Bäumen hervor.
Als Maslama sie sah, band er sein Pferd fest und schlich sich geräuschlos wie eine Natter an sie heran. Er ergriff sie , legte ihr sein Schwert an die Kehle – und siehe da! Es war ein Christenmädchen.
«Lass mich los», sagte sie, «dann werde ich dich zu einer noch schöneren Christin führen, als ich es bin. Sie heißt Maria Bint Abdalmasîh, und ihr Vater ist der Herrscher der Stadt Rom. Mit ihr hat sich folgende Geschichte zugetragen: Ihr Cousin wollte mit ihr geschlechtlich verkehren. Da hat ihr Vater sie zu einem Mönch namens Kanân geschickt. Von ihm sagt der Dichter:
«Er mag wohl Christ sein, doch, bei Gott, ich glaube nicht daran,
Bevor ich nicht an seinem Körper Kreuze sehen kann.
Wenn hier im Wald ein Klangholz fromm erklingt, so ist das nur
Die Tücke eines Mädchens aus dem Kloster von Kanân.
Sie schlägt das Klangholz, bis im Kloster jedermann erwacht.
O Kloster von Kanân, du ziehst die Blicke in den Bann!
Ich bleibe hier am Klostertor, bis jeder Mönch darin
Und jede Nonne nackt die Nacht verbringt. Dann klopf’ ich an.»
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von
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