101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die neununddreißigste Nacht
Er spricht:
Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
Da rief Danisad ihr zu: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
Als Maslama ihre Rede gehört hatte, stieg er auf sein Pferd und folgte ihr so lange, bis er wieder bei seinen Gefährten war. Diese beglückwünschten ihn zu seiner Unversehrtheit, doch er rief ihnen entgegen: «V erliert keine Worte , sondern reitet hinter diesem Mädchen her!»
So zogen sie los, und Maslama mit ihnen, bis sie nahe an das Kloster herangekommen waren. Gewaltsam öffneten sie das Klostertor. Sie drangen ein und fanden dort zehn Christentöchter, darunter das erwähnte Mädchen. Die übrigen Mädchen saßen bei ihr. Auf der Stelle zogen sich alle furchtsam in ihr Refektorium zurück. Maslama aber ergriff Maria und brachte sie zu seiner Mutter. Drei Monate lang blieb sie dort.
Dann wollte er sich mit ihr vereinigen. Sie wurde in die schönsten Gewänder gekleidet und herausgeputzt. Von allen Seiten umgaben sie Mädchen mit Pandoren, Lauten und Leiern sowie Fingerzimbeln. Die Mädchen geleiteten sie zu Maslamas Gemach. Doch als sie sich gerade über das ganze Schloss verteilt hatten , hörten sie auf einmal einen entsetzlichen Schrei. Was war das? Ein gepanzerter Ritter war ins Schloss eingedrungen und packte das Mädchen mit der einen Hand, in der anderen hielt er ein gezücktes Schwert.
Als Maslama davon erfuhr , legte er seine Hand fest um das Heft seines Schwerts und trat in den Schlosshof hinaus. Dort sah er einen jungen Christen stehen, und in seinem Griff das Mädchen. Sowie der Christ ihn sah, ließ er das Schwert aus der Hand fallen.
«W er bist du?», rief Maslama ihn an.
«Mein Gebieter», erwiderte der, «dieses Mädchen ist meine Cousine. Ich habe sie bereits rechtmäßig geheiratet. Als ihr Vater von ihrer Entführung erfuhr, hat er nach mir geschickt und zu mir gesagt: ‹Die Muslime haben deine Cousine geholt.› Entweder gibst du sie mir jetzt zurück, oder du wirst bei ihrer Errettung sterben. Ich bin mittels einer List in dein Schloss eingedrungen», fuhr er fort. «Nun töte mich, wenn du willst, oder lass mich am Leben. Ich bin dein Gefangener.»
«Maria», wandte sich Maslama an das Mädchen, «ist das dein Cousin?»
«Ja», bestätigte sie.
Da überließ er sie ihm und schenkte ihm noch ein edles Pferd dazu und dem Mädchen ein Reitkamel. Er erstattete ihr alles zurück, was er ihr geraubt hatte, bekleidete sie und stattete sie mit einer guten Menge Geldes aus. Auch schickte er einen Führer mit den beiden mit, der ihnen den Weg in ihr Land weisen sollte. Kaum waren sie zu Hause angekommen, vollzog der junge Mann die Ehe mit seiner Cousine. Sie aber tat vor sich selbst das Gelöbnis: Sollte sie einen Jungen zur Welt bringen, so werde sie diesen zu Maslama schicken, und wenn es ein Mädchen würde, ebenfalls.
Einige Zeit später war Maslama wieder einmal zu einem Raubzug in die christlichen Lande unterwegs. Er war mit einigen Gefährten ausgezogen. Sie ritten ohne Unterlass, bis sie rasten mussten. Bei der Rast entfernte sich Maslama, um einem Bedürfnis nachzugeben. Als er zurückkam, waren seine Gefährten schon aufgebrochen, und es war nichts mehr von ihnen zu sehen. Sie waren spurlos verschwunden. Er lief hin und her, ohne zu wissen, wohin er sich wenden sollte. Endlich gelangte er zu einer schönen Wiese, auf der Bäume standen und Wasserquellen sprudelten. Er betrat die Wiese, trank von dem Wasser, legte sich schlafen und erwachte nicht eher, als bis sich ein Wald von Lanzenspitzen auf ihn niedersenkte. Etwa tausend gepanzerte christliche Kämpfer griffen ihn an.
«W o kommst du her?», befragten sie ihn.
«Aus Damaskus», war seine Antwort.
«Du hast nicht zufällig neue Nachrichten von Maslama, dem Sohn des Kalifen Abdalmalik Ibn Marwân?», wollten sie wissen.
«Als ich ihn zum letzten Mal gesehen habe», gab er an , «war er gerade drauf und dran, zu einem Raubzug in die christlichen Lande auszurücken.»
Sie legten ihn daraufhin in Fesseln, brachten ihn in die Stadt und führten ihn vor ihren König. Und siehe da! Der König war kein anderer als
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