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101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

Titel: 101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine Geschichten!
    ~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
    Als der junge Mann zu Hause ankam – sein Name war übrigens Muhammad Ibn Abdallah, der Ägypter – , trat aus dem Haus eine Dienerin zu ihm heraus , und man schaffte ihn hinein. Dann kam sein Vater vom Markt zurück. Er hörte Geschrei. «W as ist das?», erkundigte er sich.
    «Dein Sohn ist verrückt geworden», wurde ihm gesagt.
    Der Kaufmann aber liebte seinen Sohn mehr, als alle anderen Menschen ihre Kinder lieben. Überdies war er reich und wohlhabend. Auf der Stelle trat er wieder hinaus und besorgte eine narkotisierende Paste aus Hanf, Bilsenkraut, Stechapfelsamen, Mohn, Honig und Butter, dazu verschiedenerlei Arzneien zum Trinken und Einnehmen. Dann wandte er sich seinem Sohn zu. «W as tut dir weh, mein liebes Kind?», fragte er.
    «Ach, Vater», seufzte der, «ich werde sterben, daran führt kein Weg vorbei.» Und er fügte die Verse hinzu:
    « Ihr meine Tadler, die der Liebe wegen mich verweisen:
    Wenn ihr nichts findet, was mir hilft, lasst mich in Ruh!
    Lasst ab von mir, damit ihr endlich seht, was mich befiel,
    Und wenn ihr mich dann weiter tadeln wollt – nur zu!»
    Es wird erzählt:
    Sein Vater liebkoste ihn ohne Unterlass, so lange, bis er die Augen aufschlug. Einige Tage vergingen, ohne dass er aß und trank. Dann bestellte sein Vater einen Arzt zu ihm, der sich mit Heilmitteln und allen üblicherweise auftretenden Krankheiten auskannte.
    Nachdem der Arzt ihn untersucht hatte, wandte er sich an seinen Vater. «Abdallah», sagte er zu ihm , «dein Sohn leidet an der Liebeskrankheit. Das kann ich an der Schwäche seiner inneren Organe diagnostizieren. Kümmere dich jetzt gut um deinen Sohn, sonst ist er des Todes.» Mit diesen Worten ging der Arzt wieder hinaus.
    «Mein Söhnchen», wandte sich der Alte daraufhin an seinen Sohn, «lass mich wissen, wodurch du in Liebe entflammt bist. Ich schwöre bei Gott: Müsste auch die ganze Welt ihrem Schicksal entgegengehen, so werde ich doch all mein Vermögen einsetzen, um dich glücklich zu machen.»
    «Ach, lieber Vater», entgegnete sein Sohn, «das und das ist mir passiert.» Und er schilderte ihm, was er mit dem Mädchen erlebt hatte.
    «Möge nichts davon dein Herz belasten, mein lieber Sohn», sagte sein Vater und schickte sich sogleich an, zu ihrem Vater zu gehen – also zu dem Vater des betreffenden Mädchens. «W erter Soundso», sprach er zu ihm, «ich habe den Wunsch, eine familiäre Verbindung mit dir einzugehen. Ich bin gekommen, um für meinen Sohn um die Hand deiner Tochter anzuhalten.»
    Ihr Vater aber war mittellos; er besaß keinerlei Vermögen. Seine Antwort war die folgende: «Gut, ich bin einverstanden. Aber ich schwöre, dass ich kein Hochzeitsessen für sie ausrichte.» Und zu sich selbst sprach er: «Ich werde sie mit dem Sohn des Alten verheiraten.» – «W enn es noch heute Nacht geschehen soll», wandte er sich wieder an den Vater des jungen Mannes, «so schicke du ein Reittier für sie sowie einen Bediensteten zu mir und lasse sie zu dir nach Hause abholen.»
    «Jawohl», stimmte der zu. Der Kaufmann bezahlte also dem Vater des Mädchens den Preis für die Braut und ihre Ausstattung, ging wieder nach Hause zu seinem Sohn und berichtete ihm alles. Da stand der Sohn sofort auf und war von seinem Fieberwahn genesen.
    Zur verabredeten Zeit schickte er mehrere Reittiere zum Haus des Mädchens, dazu eine Dienstmagd und ein Tuch, worin Kleider eingeschlagen waren. Das Mädchen aber hieß Gharîbat al-Husn, «die Seltsam-Schöne». Schon trat sie aus dem Haus und setzte sich auf das Reittier. Da fiel der Dienstmagd ein, dass sie etwas im Haus vergessen hatte. Sie ließ das Mädchen auf der Maultierstute vor der Tür stehen und ging zurück ins Haus, um die vergessene Sache zu erledigen. Alles das geschah bei Nacht.
    Nun wollte es das Schicksal, dass der Herrscher von Kairo und Alexandria gerade hundert Sklavenmädchen auf hundert Reittieren zum Kalifen al-Mu’tasim abgesandt hatte und dass die Karawane mit den Sklavinnen genau in diesem Moment an dem Mädchen vorüberzog. Gharîbat al-Husn geriet mitten zwischen die Sklavenmädchen, wurde von der Karawane fortgezogen und ritt mit ihnen weiter, ohne zu wissen, wohin. Nach einer Weile kam die Dienstmagd wieder aus dem Haus. Sie fand keine Spur mehr von ihr vor. Da bekam sie Angst und rannte davon. Kein Mensch

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