1010 - Das Geheimnis der blutigen Hände
stöhnte auf. »Himmel, der Mund! Er ist ja nicht geschlossen.«
»Das stimmt.«
Sie mußte sich räuspern, traute sich aber nicht näher an das Gebilde im Fels heran. »So etwas habe ich noch nie gesehen, Larry, das ist der reine Wahnsinn. Das ist irgendwo furchtbar. Ein richtiger Mund, bei dem man sogar Lippen erkennen kann.«
»Lippen aus Stein«, murmelte Larry Lutz. »Alles an diesem Gesicht ist aus Stein.«
»Da hast du recht.«
Kim Grover zeigte sich über die Antwort weniger irritiert als über den Klang der Stimme. »Das hast du so komisch gesagt, Larry, stimmt was nicht?«
Er hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, ob es stimmt oder nicht, aber man hat dem Gesicht einen besonderen Namen gegeben. Oder einem Teil davon.«
»Wie heißt er denn?«
»Es ist der Mund der Wahrheit. Deshalb steht er auch so weit offen. Man nennt ihn Mund der Wahrheit.«
»Ach. Und weiter?«
»Nun ja, Kim…« Larry druckste herum. »Untreuen Frauen wurden der Legende nach hier die Hände abgehackt. Oder nur eine Hand, es kam ganz darauf an.«
»Ehrlich«, hauchte Kim. Die wenigen Worte dieser Geschichte schon hatten sie ihn ihren Bann gezogen. »Und was ist danach geschehen? Kannst du mir das auch sagen?«
»Ich bin dabei. Als die Hände abgehackt worden waren, hat man sie genommen und sie in den Mund gesteckt.«
Kimberly Grover schauderte, und die Gänsehaut zeichnete sich bei ihr sehr deutlich ab. »In den Mund geschoben«, wiederholte sie flüsternd. »Wo sind sie dann geblieben?«
Er hob die Schultern. »Wo schon? Der Fels hat sie verschluckt, denke ich mir.«
»Verschluckt«, wiederholte Kim flüsternd. »Dann müßte dieser Felsen hier so etwas wie der Eingang zu einer Höhle sein, die hinter dem Gesicht liegt.«
»Das ist möglich.«
»Und woher weißt du alles?«
Larry Lutz hob die Schultern. »Die Frage hättest du mir nicht zu stellen brauchen. Ich bin an einer bestimmten Zeitung beschäftigt. Du weißt doch, daß wir uns um geheimnisvolle Orte und Plätze in der Welt kümmern. Dieser hier gehört dazu.«
»Und den hast du entdeckt?«
»Irgendwo schon«, gab er zu. »Wann denn?«
Larry winkte ab. »Das ist schon länger her. Damals, als ich noch mit meinen Eltern zusammen hier Urlaub machte, habe ich dieses Gesicht bereits gesehen.«
»Und du hast auch über die Funktion Bescheid gewußt?«
»Das auch, Kim.«
»Hattest du keine Angst?«
»Allein war ich ja nie hier.«
»Ja, das kann ich mir denken.« Sie schüttelte sich. »Ehrlich gesagt, ich traue mich nicht einmal, den Fels anzufassen, wo sich das Gesicht abzeichnet. Davor habe ich einen richtigen Horror.« Sie schüttelte sich. »Es ist schlimm, ich weiß, vielleicht wirst du auch lachen, aber das ist nun mal so.«
»Kann ich sogar verstehen.«
Kim hatte nach Worten gesucht und sie auch gefunden. »Stell dir mal vor, Larry, man greift durch den Mund. Mit einem langen Haken oder so. Glaubst du denn, daß man dann verfaulte Hände oder sogar ganze Gebeine hervorholen kann?«
»Wenn die Legende stimmt - ja.«
»Und für dich stimmt sie, wie?«
»Ich glaube daran.«
»Ich nicht, Larry.«
»Warum nicht?«
»Weil ich einfach nicht an Märchen glauben will, deshalb. Eine Legende ist für mich ein Märchen, basta. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß Menschen so grausam gewesen sein sollen und untreuen Frauen einfach die Hände abhacken.«
Larry konnte das Lachen nicht unterdrücken. »Grausam gewesen sein sollen, hast du gesagt?«
»Ja.«
»Du bist eine Phantastin.«
»Wieso denn?«
»Die Menschen sind noch immer grausam, meine Liebe. Sie sind sogar sehr grausam, und die alten Zeiten haben sie nicht vergessen. Ebensowenig ihre Rituale.«
Kim schnippte mit den Fingern. »Moment mal, Moment mal. Wenn ich dich recht verstehe, hast du damit gemeint, daß dieser Schrecken noch in der heutigen Zeit fortgesetzt worden ist?«
»Sehr richtig.«
Kim schaute ihren Freund an, als hätte sie Angst vor ihm. »Woher weißt du das denn?«
»Ich war schon mehrmals hier.«
»Oder hat dir das dieser komische Bill Conolly eingeredet, der mit dem noch komischeren Sinclair befreundet ist, von dem du mir mal erzählt hast?«
»Erstens sind die beiden nicht komisch, Kim, und zweitens habe ich von Bill Conolly einiges gelernt.«
»Du erlaubst, daß ich anderer Meinung bin.«
»Immer, Kim, aber was wahr ist, das muß…« Er stoppte mitten im Satz und drehte sich nach rechts.
»Was ist denn, Larry, was hast du?«
»Da kommt jemand.«
»Ich
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