1012 - Schick sie in die Hölle, Marek!
einer dünnen Lederkette hatte er es sich um seinen Hals gehängt. So wie John sein Kreuz hervorholte, so zog er das Pendel ins Freie und legte den Stein so auf seine Handfläche, daß er auf das darin eingravierte Gesicht schauen konnte.
Es zeigte die Züge einer Frau, einer alten Zigeunerin, deren Körper verbrannt worden war. Nur das Gesicht war übriggeblieben. Die Zigeunerin Zunita war zwar dem Flammentod übergeben worden, aber ihr Geist hatte überlebt, und er hatte schon zu Lebzeiten dafür gesorgt, daß sie in der Lage gewesen war, Vampire aufzuspüren.
Das Schlauchboot hatte seine Fahrt verloren und lag jetzt still auf dem Wasser. Es schaukelte nur hin und wieder, wenn sich die Wellen etwas stärker kräuselten.
Allerdings war der Wind nicht so stark, als daß er das Pendel bewegt hätte, wenn Marek sich an seine Arbeit machte.
Er hielt das Band in der rechten Hand. Den Arm hatte er angehoben, und dann brachte er das Pendel über die rechte Bordseite hinweg, so daß es über dem Sumpfwasser schwebte.
Marek wartete ab.
Er schaute genau gegen das verzerrte Gesicht der Zunita, in dem sich allerdings noch nichts regte. Doch Marek wußte, daß er sich in Geduld fassen mußte. Er setzte das Pendel ja nicht zum erstenmal ein.
Warten.
Hoffen…
Und es passierte etwas. Er spürte den Kontakt als kleinen Ruck, der auch seine Finger erreichte, aber nicht blieb, sich dafür wandelte, denn er übertrug sich auf den Pendel.
Der Stein blieb nicht mehr ruhig. Er fing an zu schwingen, nicht sehr stark, aber deutlich sichtbar. So glitt der Stein einmal nach rechts, dann wieder nach links, und es war auch niemand da, der die Schwingungen stoppte.
Mareks Gesicht zeigte eine starke Anspannung. Er ließ das Pendel nicht aus den Augen, und er wartete noch auf ein bestimmtes Zeichen. Es trat tatsächlich ein.
Die Augen im Gesicht leuchteten auf.
Das war der Beweis.
In seiner Nähe lauerten Vampire!
***
Der Pfähler hatte sich immer auf diesen Indikator verlassen können, und auch jetzt glaubte er daran, daß dieses Stück Moor durch die Blutsauger verseucht worden war.
Es drängte ihn, auf und über das dünne Wasser zu schauen, aber er hielt sich zurück. Das Pendel war jetzt wichtiger. Es schwang noch immer und schlug dabei sogar heftiger aus.
Die Augen in dem Gesicht behielten ihr Rot bei, das sich bei den doch heftigen Ausschlägen in Streifen auflöste. Wie bei einem Minikometen.
»Gut«, flüsterte Marek. »Das ist sogar sehr gut. Gratuliere, Goran, du hast recht gehabt.«
Die untote Brut lauerte also in der Tiefe des Moors. Aber warum fürchteten sich dann die Mönche vor ihr? Waren sie ebenfalls über das Moor gefahren, oder war es den Vampiren gelungen, sich aus dem Sumpf zu befreien. Hatten sie sich über Menschen hergemacht?
Die Mauern des Klosters, das nun aus der Ferne grüßte, gaben Marek keine Antwort, die würde er sich schon selbst suchen müssen.
Zunächst steckte er das Pendel wieder weg. Dafür holte er eine andere Waffe hervor, seinen Eichenpfahl. Ein hartes, kantiges Grinsen legte sich auf seine Lippen, als die Hände das alte und inzwischen grau gewordene Holz umschlossen.
Er dachte daran, daß die Spitze so manchen Vampirkörper durchbohrt hatte. Auch hier wollte er seinem Namen alle Ehre machen, vorausgesetzt, die Untoten zeigten sich ihm.
Eigentlich hätten sie ihn und vor allen Dingen sein Blut riechen müssen. Sie waren ja wild auf Menschen. Sie wollten ihnen das Blut aussaugen und sie so in ihre eigenen Reihen aufnehmen.
Marek legte den Pfahl neben sich. Mehr tat er noch nicht. Aber er veränderte seine sitzende Haltung und kniete sich hin, um besser über die wulstige Bordwand schauen zu können.
An dieser Stelle war das Oberwasser des Sumpfs nicht mehr so klar. Nach ein paar Zentimetern bereits verlor sich der Blick.
Marek ahnte schon etwas und richtete sich darauf ein, daß er Besuch aus der Tiefe erhielt.
Es waren sechs Blutsauger!
Nicht eben günstig. Wesen, denen sicherlich lange Krallen gewachsen waren, die sich unter Umständen bewaffnet hatten und damit die Bordwand zerstörten.
Er rutschte auf das Heck zu, ging dann zum Bug, schaute auch an der Backbordseite in den Sumpf hinein und versuchte, die Gestalten auszumachen.
Da war nichts Verdächtiges zu entdecken, nur altes, unter Wasser treibendes Gehölz.
Marek war versucht, noch einmal mit dem Pendel nachzuforschen, entschied sich aber dagegen und beobachtete statt dessen die dünne Wasserfläche an der
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