1013 - Der Blut-Abt
übrigen Natur das schmutzige und verklebte Gesicht zeigen, in dem es kein Leben mehr gab.
Das bezog sich auch auf die Augen. Auch sie waren einfach nur leer, nicht mehr und nicht weniger.
Der Vampir blieb vorerst in seiner Haltung. Die Mundwinkel hatte er verzogen. Er ähnelte jetzt mehr einem Tier, das sehr lange und tief geschlafen hatte und sich zunächst einmal zurechtfinden mußte.
Die neue Existenz schien ihm Probleme zu bereiten. Das Menschliche war weg, von nun an wurde Titus allein von seiner Gier nach Blut getrieben. Alles andere existierte nicht mehr. Ihm war nicht mal die Erinnerung an seine frühere Existenz geblieben. Ihm ging es einzig und allein darum, satt zu werden.
Langsam zog er ein Bein an. Er suchte mit den Händen Halt, schwankte, griff ins Leere, kippte um und rollte ein Stück den kleinen Hang hinab.
In einer Mulde blieb er liegen. Er war auf den Rücken gefallen. Seine Augen waren nicht geschlossen. Mit leerem Blick starrte er zum Geäst der Bäume und zum Himmel, unter dem sich die Wolken drängten. Keinen Sonnenstrahl ließen sie durch, was dem neuen Blutsauger nur gefallen konnte.
Er würde in diesem Wald nur so kurz wie möglich bleiben. Die Gier, satt zu werden, war stärker. In seinem Innern war es trocken.
Die Haut hatte die menschliche Frische verloren. Sie sah so alt aus, so grau und auch so bleich. Kein Lippenrot mehr. Der Mund fiel kaum noch auf.
Titus bewegte den Mund, verzog die Lippen und grinste. Mit der Zunge tastete er an der oberen Zahnreihe entlang, die sich verändert hatte.
Zwei seiner Zähne waren lang und spitz geworden. Sie wuchsen aber noch weiter.
Vampirzähne!
Bestens dafür geeignet, um in den Hals eines Menschen zu hacken und den roten Lebenssaft aufzunehmen.
Zum erstenmal keuchte er. Ein Geräusch, das in der Stille schnell versickerte, zugleich davon zeugte, daß es ihm besser ging. Allmählich verlor sich seine erste Schwäche, und die neue Gier verwandelte sich in einen Motor, der ihn antrieb.
Der Vampir wälzte sich auf die Seite, streckte einen Arm aus und suchte auf dem schrägen Boden mit der Hand Halt.
Er wollte auf die Beine kommen.
Aber er blieb liegen.
Ein Geräusch hatte ihn irritiert und auch gestört. Jemand war in seiner Nähe, er spürte es deutlich. Ein Lebewesen, doch es bot ihm nicht das Blut, das er brauchte. Nicht das, das für einen Kraftschub sorgen würde. Es war ein anderes, und der Vampir blieb – einem Instinkt folgend – zunächst einmal liegen. Die Feuchtigkeit des Untergrunds machte ihm nichts aus. Er hatte keine menschlichen Bedürfnisse mehr, dafür war der Instinkt vorhanden, gepaart mit der Gewißheit einer übergroßen Stärke, die sein neues Dasein bestimmte.
Das Geräusch blieb nicht nur bestehen, es wurde sogar lauter, und jemand tappte näher. Nicht mehr langsam, sondern ziemlich schnell huschte ein Wesen auf ihn zu.
Titus richtete sich auf und sah das Tier!
Die Bewegung des Untoten hatte den Wolf möglicherweise erschreckt, deshalb war er stehengeblieben. Zwei kleine Schritte Distanz hielt er, starrte auf die liegende Gestalt und ihre roten Augen.
Der Wolf griff nicht an.
Auch der Wiedergänger tat nichts.
Beide starrten sich nur an. Sie maßen sich mit den Blicken, als wollten sie sich gegenseitig abschätzen. In den Augen des Tiers war keine Bewegung zu sehen, aber der Wolf war auch nicht grundlos an den Liegenden herangeschlichen. Er fühlte sich wie ein Bewacher und ein Leibwächter zugleich.
In Titus’ Gesicht zuckte es. Der Mund stand noch immer offen. Er schob seine Zunge vor, als wollte er das Tier verhöhnen. Aber der Wolf tat nichts. Er schaute nur zu und wirkte so wie ein geschickter Aufpasser oder Bote.
Struppiges, schmutziges Fell. Dunkelgrau und bräunlich verklebt.
Dazu die roten Augen. Sie gaben dem Tier ein unnatürliches Aussehen.
Der Untote bewegte sich wieder. Er mußte sich einfach bewegen, um die noch starren Glieder geschmeidig zu machen. Wind fuhr durch den Wald, erwischte auch ihn, aber er spürte ihn so gut wie nicht. Ob Kälte oder Wärme, das war nicht mehr akut. Alles Menschliche war ausgeschaltet worden. Für ihn gab es nur noch einen bestimmten Drang. Um ihn zu erfüllen, führte ihn der Weg allerdings hin zu den Menschen. Da konnten sie sich noch so gut verstecken, er würde ihr warmes Blut immer riechen können, und das allein zählte.
Die Kraft war da. Titus spürte sie. Der Mönch mit den Vampirzähnen beugte sich nach hinten und starrte zum Himmel, als
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