1013 - Der Blut-Abt
könnte er dort eine Botschaft ablesen. Die Augen waren weit geöffnet, der Mund ebenfalls, und die beiden Vampirzähne im Oberkiefer blinkten wie zwei Messer.
Der Wolf hatte sich nicht von der Stelle gerührt und nur beobachtet. Er tat seine Pflicht, die ihm der Hexenmeister aufgetragen hatte.
Ein Leibwächter für ihn, der alles kontrollierte, damit nichts mehr schieflaufen konnte.
Titus stand!
Mit einem letzten und heftigen Ruck hatte er seinen Körper in die Höhe gewuchtet, mußte allerdings noch mit dem Gleichgewicht kämpfen, was ihm einige Mühe bereitete, aber nicht so schlimm war, um wieder zu Boden zu fallen.
Er blieb auf den Beinen, auch wenn er zunächst noch schwankte.
Noch war die Nacht nicht hereingebrochen. Aber der Vampir sehnte sich nach ihr.
Titus wollte die Dunkelheit nicht abwarten. Der Durst nach dem Lebenssaft der Menschen war übermächtig. Titus konnte nicht mehr länger in dieser Deckung bleiben. Der lichte Wald war keine Gegend für ihn, und das Blut des Wolfes konnte er vergessen. Er brauchte das eines Menschen, er wollte beißen, trinken und den verdammten Körper bis zum letzten Tropfen leersaugen.
So schrieben es die alten Regeln vor, und denen würde er auf jeden Fall folgen. Sein Standplatz war nicht optimal. Durch die leichte Schräge hatte er schon mit dem Gleichgewicht zu kämpfen, und auch der erste Schritt in seiner neuen Existenz fiel ihm nicht leicht.
Es lag Laub auf dem Untergrund. Es war feucht geworden und bildete deshalb so etwas wie eine leichte Rutschbahn.
Der Untote taumelte so weit vor und hielt sich auch auf den Beinen, bis er den normalen Pfad erreicht hatte, wo er sich an einem Ast festklammerte. Dort blieb er stehen, nickte dabei. Sein Gesicht war zur Seite gedreht, denn der struppige Wolf schlich auf ihn zu.
Seine Pfoten tappten und rutschten über den Boden hinweg. Er kam nahe an den Blutsauger heran und preßte seinen Körper gegen ihn.
Ähnlich wie ein normaler Hund, der seinen Herrn begrüßt, weil er ihn lange Zeit nicht gesehen hatte.
Titus akzeptierte seinen Begleiter. Er bewies dies sogar mit einer Geste, indem er das Tier streichelte. Die gespreizten Finger fuhren durch das graue Fell, und der Wolf gab ein zufrieden klingendes Knurren ab. Genau diese Aufmunterung schien er gebraucht zu haben. Von nun an wich er nicht mehr von der Seite des Untoten, denn dessen Weg war auch seiner.
Titus nahm die Strecke, die er kannte. Er nahm die Umgebung nicht mehr so intensiv auf wie ein normaler Mensch, er ging einfach nur vor, und der sich durch den lichten Wald windende Pfad war für ihn die einzige Strecke.
Innerlich war er leer. Kein Tropfen Blut floß mehr durch seine Adern. Trotzdem kippte er nicht. Das Wissen, bald an Nahrung heranzukommen, machte ihn stark.
Seine Augen bewegten sich nicht. Es war auch nicht möglich. So starrte er einzig und allein ins Leere, aber er wußte auch, daß er sich nicht mehr verlaufen konnte.
Das Ziel war nicht mehr zu verfehlen. Ein Kloster, eine heilige Stätte. Für einen Vampir nicht nur gefährlich, sondern schon so gut wie tödlich. Aber daran dachte Titus nicht. Ihm ging es einzig und allein um das Blut der Menschen.
Dafür nahm er alles in Kauf – alles!
Die Natur spielte mit. Der Himmel zog sich immer mehr zu. Wolken verdichteten sich. Der Wind trieb die mächtigen Monstren heran, die sich ineinanderschoben, um dann wie eine Wand zu wirken, als wollten sie die Gestalt schützen.
Wie auch der struppige Wolf, der stets in seiner Nähe blieb und für ihn zu einem Leibwächter und Vorkämpfer geworden war. Auf dieses Tier konnte er sich verlassen. Es war vom Hexenmeister geschickt worden und würde ihn nie im Stich lassen.
***
Wir hatten Bruder Basil weggeschickt, nachdem er uns das ungewöhnliche Buch überlassen hatte. So konnten Suko und ich es allein durchblättern, auf der Suche nach einem Anhaltspunkt, was diesen verdammten Abt dazu getrieben hatte, sich auch mit den Mächten der Finsternis zu beschäftigen, obwohl er sie offiziell bekämpft hatte.
Wir hatten es uns in Basils Zimmer gemütlich gemacht, teilten uns eine große Flasche Wasser und blätterten das Buch gemeinsam durch, das vor uns auf dem Tisch lag. Wir saßen nebeneinander, so konnten wir beide lesen.
Basil würde uns erst einmal nicht stören. Außerdem hatte er zu tun, denn er hatte sich dazu entschlossen, seine Mitbrüder vor den Gefahren zu warnen.
Ich hatte ihm noch geraten, es nicht direkt zu tun, und er wollte sich daran
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