1013 - Der Blut-Abt
verstanden.« Dann fügte er etwas hinzu, was mir Hoffnung gab. »So unbekannt sind Sie mir ja nun auch wieder nicht.«
»Danke.«
»Warten Sie.«
Ich ließ das Handy sinken und atmete prustend aus. »Himmel, war das eine schwere Geburt! Wie kann man nur…?« Ich winkte ab und sagte: »Lassen wir das.«
Die nächsten dreißig Sekunden vergingen in einer für uns schlimmen Wartezeit. Wichtig war nur, daß ich Father Ignatius sprechen konnte, und das Glück widerfuhr mir bald.
Zuerst hörte ich ihn lachen, dann seine Stimme. »Bist du knapp mit deinen Silberkugeln geworden, John?«
»Nein, das ist nicht der Grund, weshalb ich anrufe.«
»Aber es gibt ein Problem?«
»In der Tat.«
»Raus damit!«
Zunächst einmal erklärte ich ihm, wo ich mich aufhielt, und das wiederum überraschte ihn. »Wenn du das so sagst, John, ist etwas im Kloster passiert. Oder nicht?«
»Da hast du recht. Es gab und gibt leider noch Probleme, und wir brauchen deine Hilfe. Hast du etwas Zeit, oder mußt du zurück in deine Besprechung?«
»Unsinn. Für dich habe ich immer Zeit, das solltest du wissen.«
»Okay, dann fangen wir von vorn an.« Ich faßte Mareks Erlebnisse mit wenigen Sätzen zusammen, aber an dem eigentlichen Problem hielt ich mich länger fest, und ich ging davon aus, daß der gute Ignatius spitze Ohren bekam.
Wir beide wußten genau, was wir voneinander zu halten hatten.
Bei Ignatius brauchte ich nicht erst herumzureden, so kam ich sehr schnell zur Sache, um von ihm schließlich zu erfahren, ob ihm dieser Abt Josh ein Begriff war.
»Darauf kannst du dich verlassen, John.«
»Gut. Was weißt du über ihn?«
»Er ist in der Geschichte des Klosters immer als eine Persönlichkeit gehandelt und auch vernommen worden. Man wußte, daß er sechs Blutsauger vernichtet hatte. Sie versanken ja im Sumpf.«
»Und kehrten zurück.«
»Durch den Kometen.«
»Lasen wir in dem Buch. Kennst du es, Ignatius?«
»Leider nicht.«
»Dann hast du nicht gewußt, daß sich Josh auch mit der dunklen Seite der Magie beschäftigt hat?«
Ignatius legte eine kurze Pause ein. »Ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll, John. Im Prinzip weiß ich es nicht, oder kann ich es nicht wissen. Natürlich hat St. Patrick seine Geschichte, und natürlich gibt es auch Geschichten darüber. Ebenso über die Äbte. Wenn ich mich recht erinnere, stand man diesem Josh schon zwiespältig gegen über.«
»Kannst du da genauer werden?«
»Es fällt mir schon schwer, John, weil ich erst in meinem Gedächtnis kramen muß.«
»Es ist aber wichtig.«
»Das weiß ich ja, und deshalb möchte ich dir die Antwort auch nicht schuldig bleiben. Nicht jeder hat ihn geliebt, ich will es mal so formulieren.«
»Welche Gründe gab es?«
»Sie lagen einzig und allein an ihm. Ein Abt ist immer etwas Besonderes, aber er ist auch ein Mensch, und Menschen sind eben nicht perfekt, das weißt du selbst. So muß es auch bei Josh gewesen sein. Er war kein väterlicher Typ, kein warmherziger Mensch. Ihn umgab stets eine Aura des Unnahbaren. Es gab keinen Vertrauten im Kloster, er hat immer sehr allein gewirkt, aber man zollte ihm Respekt, denn es wurde nicht vergessen, wer der Initiator dieser Vampir-Vernichtung gewesen ist.«
Das hatte nicht gut geklungen. »Sonst weiß man wirklich nichts über ihn?«
»Nein.«
»Schade«, sagte ich.
»Was seine anderen Aktivitäten angeht, weißt du mehr als ich, John. Ich kann mir auch im Moment nicht vorstellen, was da mit ihm passiert sein soll. Er wäre nicht der erste gewesen, der sich mit den fremden Kräften oder Mächten beschäftigt hätte.«
»Alles richtig. Ich muß nur wissen, ob er als normaler Toter begraben wurde oder als Vampir, was diejenigen, die ihn beerdigten, gar nicht gemerkt haben.«
»Da gebe ich dir sogar recht.«
»Davon weißt du wirklich nichts?«
»Nein.«
»Noch mal, Ignatius.« Ich ließ einfach nicht locker. »Du hast nicht das Buch gelesen, in dem er seine Aufzeichnungen hinterlassen hat?«
»Ich kenne es nicht, John. Du darfst nicht vergessen, daß ich nur ein einfacher Klosterbruder gewesen bin, kein Abt. Ich kannte nur seine Geschichte.«
Die nächste Frage rutschte mir heraus. »Hat es denn hier in St. Patrick mal Vampire gegeben? Ich denke jetzt nicht an den See, sondern direkt an das Kloster?«
»Zu meiner Zeit nicht, John. Da ist viel passiert, das weißt du selbst, und das brauchen wir auch nicht erst aufzuzählen, aber einen Vampir, der sich eingeschlichen haben soll, davon
Weitere Kostenlose Bücher