1017 - Auf den Spuren der Bruderschaft
mit lichtblauem Fell.
Die halbkugeligen Augen waren dunkel vor Angst. „Biegt nach rechts ab", wisperte die Stimme. „Geht immer geradeaus. Weicht nicht vom Weg ab!"
„Und was dann?" fragte Surfo.
Irgendwo im Gewirr der Gänge gab es einen lauten Krach. Der Prodheimer-Fenke zuckte zusammen, dann warf er sich herum und stob davon. Surfo hätte ihn niederschießen können. Aber wozu? Sollte er dem hastig gegebenen Rat folgen? Warum nicht? Eine Richtung war so gut wie die andere. Sie hatten kaum mehr etwas zu verlieren.
Sie wandten sich nach rechts. Die Luft wurde allmählich muffig, aber die Geräusche deuteten an, daß sich das Netz nach wie vor immer enger um sie zusammenzog. Surfo, der an der Spitze ging, stolperte über eine Unebenheit des Bodens, blieb stehen und sah sich um. Risse zogen sich durch den gegossenen Verputz der Wände. Der Boden war aufgebrochen und ließ nacktes Felsgestein sehen.
„Mein Gott", stieß Scoutie hervor, „dieser Gang ist seit hundert Jahren nicht mehr benützt worden."
„Hundert Jahre", knurrte Brether, „so lange sind die Kranen noch gar nicht hier."
Surfo ging weiter. Die Zeichen des Verfalls wurden immer deutlicher. Eine letzte Lampe blakte zitternd in der Decke. Dahinter war Dunkelheit. Surfos Fuß stieß gegen aufgeschüttetes Geröll, das den Gang versperrte.
„Wie lange, seit wir am letzten Seitengang vorbeikamen?" fragte er.
„Vier, fünf Minuten", schätzte Scoutie.
Surfo lauschte. Die Geräusche waren deutlich. Laute Stimmen waren zu hören. Er verstand Wortfetzen. „... weiter rechts ..." - „... deutlicheres Signal..." - „Vorsicht... bewaffnet."
Sie benutzten organische Sensoren. Sie wußten genau, wo sie die drei Flüchtlinge zu suchen hatten. Sie standen mit den Computern in Verbindung, die das Verladenetz kontrollierten.
Im Schein der trüben, flackernden Lampe sah er Scouties bleiches Gesicht. Ihr Blick war auf ihn gerichtet. „Was jetzt?" Er las es ihr von den Lippen ab; ihre Stimme war über dem Lärm der Verfolger kaum hörbar.
Er ließ die Schultern sinken. Er empfand Hilflosigkeit und Scham. Sie hatten sich auf ihn verlassen, auf den Doppelträger. Was immer er entschied, war gut. Er würde sie aus allen Schwierigkeiten führen.
Er hatte jedoch versagt.
Das Geräusch kam aus der unmittelbaren Umgebung. Surfo fuhr herum. In der von vielfältigen Rissen durchzogenen Wand des Ganges war eine dunkle Öffnung entstanden.
Der Umriß eines Kranen zeichnete sich gegen die Finsternis ab.
„Ihr seid Sucher der Bruderschaft?" fragte eine tiefe Stimme.
„Wir sind Sucher", antwortete Surfo. Die Worte waren ihm einfach so auf die Zunge gesprungen. Er hatte nicht darüber nachzudenken brauchen.
„Dann kommt", sagte die Stimme.
Surfo trat auf die Öffnung zu. Weit im Hintergrund sah er ein mattes Licht schimmern.
Der Gang zog sich ziemlich steil in die Höhe. Den Boden bedeckte Staub, in dem die Fußspuren eines Kranen zu sehen waren. Surfo trat ein. Scoutie und Brether folgten ihm auf dem Fuß. Hinter ihnen schloß sich die Geheimtür mit einem schmatzenden Geräusch.
Surfo musterte die Wand. Sie war fugenlos. Er hätte stundenlang hier stehen können, ohne zu ahnen, daß es da eine Tür gab.
Der Krane entblößte das Gebiß zu einem freundlichen Grinsen.
„Jetzt können sie euch nichts mehr anhaben", sagte er. „Ich bin Clazzence. Auf mich könnt ihr euch verlassen."
4.
Der Aufstieg ging ohne Zwischenfall vonstatten. Das Gewirr der Gänge, durch die sie sich bewegten, mußte einstmals ein Teil des großen Verladenetzes gewesen sein. Aus welchem Grund es aufgegeben worden war, ließ sich nicht erkennen, aber die Spuren des Zerfalls waren allgegenwärtig. Clazzence ließ durchblicken, daß er vorderhand nicht mit Fragen belästigt werden wolle, und bewegte sich mit derart weitgreifenden Schritten, daß die Betschiden Mühe hatten, mitzukommen.
Mit Hilfe eines halbwegs ramponierten, aber einwandfrei funktionierenden Antigravschachts drangen sie etwa einhundert Meter nach oben vor. Wiederum befanden sie sich in einem Labyrinth, durch das sie der Krane mit niemals fehlender Ortskenntnis leitete. Ein zweiter Schacht brachte sie schließlich zur Oberfläche. Der Schachtmund war mit einer ringsum verlaufenden Leiste versehen, auf der sie Fuß faßten, während Clazzence die Abdeckung des Schachts nach draußen schob. Warme, feuchte Nachtluft drang herein. Clazzence schwang sich nach oben und verschwand in der Dunkelheit; seine drei
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