102 - Borro, der Zombie
wieder die rasiermesserscharfe
Schneide an seinem Kehlkopf.
»Macht… Macht über die Lebenden und die Toten…«
»Wer ist Borro?« wollte Larry wissen.
»Ich weiß es nicht.«
Es gingen wieder wertvolle Minuten verloren, ehe Larry
durch beharrliche Fragen herausbekam, wie Borro aussah.
»Vielleicht steht mehr über ihn in dem Buch«, fügte
Kumu seiner Beschreibung hinzu.
»In welchem Buch?«
»Das in der Truhe liegt. Dort existieren auch Bilder.
Ebenso die Reste des Schiffes, mit dem Borro über den Ozean kam.«
»Wo liegt diese Höhle?«
»Nicht weit von hier.«
X-RAY-3 erhob sich. Er hielt das Messer an Kumus
Seite, als der ebenfalls aufstand. »Und nun gib mir meine Waffe zurück«,
forderte der PSA-Agent. Die Smith & Wesson Laserwaffe war während seiner
Bewußtlosigkeit aus seinem Holster genommen worden.
»Sie liegt in der Höhle.«
Larrys Augen wurden schmal. Es sah aus, als wollte ihn
der Medizinmann unbedingt in diese Höhle locken.
●
Bevor sie die Hütte verließen, deutete Larry auf den
regungslosen Captain. »Er starb durch das Gift, nicht wahr? Genauso wie der
Papagei vorhin?«
»Es ist kein Gift gewesen! Die geheimnisvolle Kraft
des Fetischs wurde verstärkt auf den übertragen, den ich damit berührte. Nicht
Gift, sondern die Macht der Geister haben das Herz zum Stillstand gebracht.«
»Der Papagei war tot und erwachte wieder zum Leben,
als der Schlangenkörper über ihn glitt. Du beherrschst einen mächtigen Zauber
Kumu«, sagte Larry und senkte seine Stimme. »Kannst du dem Captain helfen?«
»Du hast das Ritual unterbrochen«, entgegnete der
Medizinmannscharf. »Ich weiß nicht, wie die Geister reagieren werden, wenn ich
jetzt…« Seine Augen wurden groß, und ein erschreckter Aufschrei drang über
seine Lippen.
Der Papagei!
Er kreischte wie am Spieß. Schaurig hallte es durch
die Nacht. Wie von Sinnen sprang der große Vogel auf seiner Sitzstange hin und
her. Die Federn flogen. Sie lösten sich aus seinem Körper, und das rosafarbene
Fleisch schimmerte durch.
Kumu Lombgo sagte entsetzt: »Die Voodoogeister sind
böse…«
In diesem Moment fiel der Vogel von der Stange und
rührte sich nicht mehr. Vor ihren Augen
welkte er dahin wie ein Blatt. Die restlichen Federn verloren ihre Farbe, die
Haut wurde grau und brüchig.
Geistesabwesend ging Kumu zu dem hölzernen Käfig, in
den er den Papagei vorhin zurückgesetzt hatte. »Mißlungen«, stieß er hervor und
hielt den ausgemergelten Körper, der kaum noch ein Gewicht zu haben schien, wie
einen Fremdkörper auf seinen flachen Händen. »Die Voodoogeister haben das Opfer
nicht angenommen. Sie zürnen uns. Ein böses Omen!«
Er richtete seinen Blick auf Larry Brent, der schon
mehr über Spuk und Geister gehört hatte – nackte Angst spiegelte sich in den
Augen des Medizinmannes.
●
Als sie über den Körper des Captains stiegen, warf
Larry noch einen letzten Blick auf den Toten.
Dann verließen sie die Hütte, die mitten im Dschungel
stand. Durch das dichte Blätterdach fielen nur schwach die Silberstrahlen des
Vollmondes.
Diese Hütte war also Kumu Lombgos mystisches Dorf.
Die Luft war warm und erfüllt von geheimnisvollen
Geräuschen, die aus dem Innern des Pflanzendickichts kamen. In dem Surren und
Wispern glaubte man gespenstische Stimmen und kicherndes Gelächter tausender
kleiner Teufel zu hören, die überall in den dunklen Ecken, hinter jedem Baum,
jeder Wurzel, in jedem Erdloch hockten und sie zu beobachten schienen.
Kumu Lombgo ging vor Larry Brent. Die ebenholzfarbene
Haut des Medizinmannes hob sich kaum von der Dunkelheit ab, als sie über einen
verwachsenen Dschungelpfad liefen.
Larrys Sinne waren aufs äußerste gespannt.
Er durfte nicht in seiner Aufmerksamkeit nachlassen.
Dies war fremdes Territorium, und nur Kumu kannte den Weg. Für X-RAY-3 konnte
jeder Schritt der letzte sein, falls Kumu plötzlich zur Seite wich und ihn in
ein Sumpfloch stieß.
Mit brennenden Augen starrte Larry auf einen breiten,
nackten Rücken. Bei dem Medizinmann konnte man nie wissen, was er wirklich im
Schilde führte.
Viele Gedanken gingen Larry durch den Kopf.
Die alte Höhle in der Bucht zog ihn beinahe mit
magischer Gewalt an. Welches Geheimnis barg sie?
Larry hoffte, schon bald mehr zu wissen.
Zweige streiften sein Gesicht und seine Hände. Er
hielt noch immer das Buschmesser in der Hand. Hin und wieder berührte er mit
der Spitze Kumus Rücken, um zu signalisieren, daß er es nicht an
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