102 - Die Gottesanbeterin
Haare wurden versengt. Der Kokuo wehrte den Drachen mit der Maginata ab, deren Schneide plötzlich weiß glühte.
Der Drache Tai Pan brüllte wütend, spie Feuer und versuchte, den Kokuo mit seinen Klauen zu packen oder mit dem gezackten Schwanz zu treffen. Aber der Kokuo war auf der Hut und wich geschickt aus.
Da ritt Tomotada von hinten heran. Unbemerkt näherte er sich dem Drachen und hieb mit dem Tomokirimaru zu. Das Schwert traf den rechten Drachenflügel am Ansatz und trennte ihn fast ab. Der Drache heulte furchtbar auf.
Ein Tritt seines Hinterbeins schleuderte Tomotada samt Pferd zur Seite und zu Boden. Schwarzes Blut schoß aus der Wunde des Drachen.
Der Kokuo griff an und schwang die weißglühende Naginata.
„Elender, für diesmal hast du gesiegt!" schrie der Drache Tai Pan mit Männerstimme und verschwand, noch ehe der Kokuo ihn erreicht hatte. Er löste sich einfach in Luft auf.
Tomotada erhob sich wieder, stieg auf sein Roß und ritt in die Schlacht.
Das Heer des Tai Pan wich zurück, nachdem sein Anführer geflohen war. Tomotada und seine Kämpfer erschlugen noch viele von den Mannen des Tai Pan, die in wilder Unordnung flohen. Der Rest irrte durch die Berge.
Tomotada ließ die Stadt Matsue drei Tage lang plündern. Grauenvolle Dinge spielten sich ab.
Nach drei Tagen führte das Schreckensheer des Tomotada zwei Dutzend junger und schöner Frauen und Mädchen aus Matsue mit sich weg; sie wurden nie wieder gesehen.
Großes Wehklagen herrschte in der Stadt. Viele Menschen waren erschlagen oder auf grauenvolle Weise getötet worden. Jeder hatte unter der Willkür des Schreckensheeres gelitten. Tomotada und seine Krieger hatten indessen keinen Versuch unternommen, die Burg des Daimyo zu erobern. Bascho Yosuke und seine Frau beteten wieder zu der O-toku-San um ein Kind, nachdem Yodogimi sich erholt hatte. Sie war nicht weggeschleppt worden. Die Zeit begann, die furchtbaren Wunden zu heilen. Der Alltag begann wieder. Doch die O-toku-San hatte ihre Gabe verloren, Fruchtbarkeit zu schenken. Yodogimi wurde nicht schwanger, und als der Daimyo Sengoku die Puppe abholen ließ und sie anderen reichen Familien gab, konnte sie auch dort nichts mehr bewirken. Es war, als hätten die grauenvollen Ereignisse und das Wirken der Dämonen ihr die segenbringende Kraft genommen. Der Daimyo und Samurai Sengiku Yajiro hatte als Andenken an den Kampf gegen Tomotada und sein Schreckensheer einen steifen, verkrüppelten Arm behalten. Er war nicht mehr so duldsam und freundlich gegen die Bewohner von Matsue und seine übrigen Untertanen und behauptete, die Einwohner von Matsue hätten ihn bei der Schlacht im Stich gelassen. Er ließ Bascho Yosuke und seine Frau Yodogimi enthaupten, weil sie angeblich seine O-toku-San verhext hatten. Die Puppe wurde in einen Tempel gebracht.
Dorian Hunter erwachte im Morgengrauen. Irgendwann war er aus der Welt seiner Erinnerungen in tiefen Schlaf hinübergeglitten.
Der Dämonenkiller sann über die Geschichte aus den alten blutigen Zeiten nach. Er war tief beschämt über das, was er als Tomotada In der Vergangenheit getan hatte. Aber dazu konnte er nichts. Olivaro, der Kokuo no Tokoyo, war es gewesen, der ihn mit teuflischer Raffinesse in eine dämonische Existenz gezwungen hatte.
Er hatte Michele da Mosto, die vierte Existenz des Dämonenkillers, 1586 gezwungen, Harakiri zu begehen; und zwar gerade zu dem Zeitpunkt, als eine Mujina mit einem Kind niederkam. Der Geist des Dämonenkillers war in dieses Kind gefahren, hatte alle Erinnerungen verloren und dämonische und böse Wesenszüge angenommen. Eine dunkle Saat war in den Geist des Säuglings gelegt worden, die später bei dem Jüngling und Mann aufging.
Im Dezember 1484, als Baron Nicolas de Conde, hatte Dorian Hunter seinen Pakt mit Asmodi geschlossen, der ihm Unsterblichkeit durch Wiedergeburt zusicherte. Ob Dorian diese Unsterblichkeit jetzt noch besaß, wußte er nicht. Asmodi hatte seine magische Macht aufgeboten, um sie ihm wieder zu nehmen, ehe er auf Haiti von dem Dämonenkiller Dorian Hunter vernichtet und getötet wurde. Eine Zeitlang hatte Dorian Hunter geglaubt, Asmodi hätte Erfolg gehabt und er wäre jetzt sterblich wie jeder andere Mensch; jetzt war er nicht mehr ganz so sicher, denn er hatte verschiedene Male gehört, daß Asmodis Zauber keineswegs absolut zuverlässig gewesen wäre. Aber nachprüfen konnte er es nicht.
Während er so dalag, hörte er plötzlich Schreie und Waffenlärm in den Korridoren des
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