1020 - Das Viren-Experiment
ihr.
„Welchen Wunsch hast du?"
„Ich brauche dich nicht, danke", sagte sie, und der Automat schnurrte davon, als wimmelte es von Kunden, die alle schnell bedient werden mußten.
Unmittelbar hinter dem „Brunnen", einem der wenigen rechteckigen Gebäude der Stadt, begann eine Anhöhe, über die zwei Wanderwege in den Park hinaufführten.
Margo überlegte, daß die Bibliothek die sinnloseste Einrichtung der Stadt war, denn jedes Mal, wenn sie herkam, war sie die einzige Besucherin.
Die Märchen und Mythen der Neuen Galaktischen Zeitrechnung waren für diese Raumfahrer wohl um vieles interessanter als alles, was hier aufbewahrt wurde und zum größten Teil die Vergangenheit beschwor.
Sie hörte die Tür auf gleiten.
Das mußte Terrel sein.
Sie wandte sich nicht um, denn sie wollte ihm das Vergnügen lassen, von hinten an sie heranzutreten und sie überfallartig in die Arme zu schließen.
Doch sie hörte keine Schritte.
Dafür erklang ein seltsamer, beinahe klagender Laut. Er war schrill, fast wie der Ruf einer Katze, aber irgendwie auch wieder menschlich. Er ließ sie zusammenzucken und herumfahren.
Im Eingang der Bücherei stand eine Gestalt.
Es war nicht Terrel Kadek.
Es war überhaupt kein Mensch.
Margo Ogden war daran gewöhnt, in den Gebäuden und Straßen von Shonaar auf Extraterrestier zu treffen, denn die Raumfahrer erhielten oft Besuch von außerirdischen Fremden.
Deshalb erschreckte sie der Anblick der Fremden nicht besonders. Das Wesen war humanoid und ungefähr 1,70 Meter groß. Besonders auffallend waren auf den ersten Blick sein überlanger Oberkörper und die kurzen, stempelartigen Beine. Der Kopf saß auf einem dicken Hals, war ziemlich breit und hinten abgeplattet. Die schwarzen Haare bestanden aus vielen Wirbeln und standen in allen Richtungen vom Kopf ab. Das sah beinahe ein bißchen lustig aus. Das großflächige Gesicht war mit rostbraunen Flecken übersät. Unter der spitzen, kleinen Nase befand sich der schmale Mund, der halb offenstand und den Blick auf zwei Reihen von streichholzkopfähnlichen Zähnen freigab.
Der Extraterrestier trug terranische Kleidung, in der er irgendwie verloren wirkte. Seine Muskelpakete zeichneten sich deutlich darunter ab.
Obwohl Margo gelernt hatte, daß es sehr schwierig war, die Verhaltensweise von Extraterrestiern vom menschlichen Standpunkt aus zu beurteilen, hatte sie den Eindruck, daß der Fremde völlig verwirrt, ja, geradezu von panikartigem Entsetzen erfüllt war.
War er vor irgend etwas auf der Flucht?
„Hallo", sagte sie sanft. „Kannst du mich verstehen, Fremder?"
Mit einer Stimme, die so schrill war, daß sie Margo in den Ohren weh tat, rief der seltsame Besucher: „Es ist gelungen, aber warum ist es so bösartig geworden?"
Mit dieser Auskunft, die in Interkosmo gegeben worden war, vermochte die junge Frau nichts anzufangen.
In diesem Augenblick trat Terrel Kadek hinter dem Fremden in den Raum. Margo sah ihn, noch bevor er hereinkam, vielleicht sah sie seinen Schatten, vielleicht erahnte sie seine Ankunft in dieser angespannten Situation auch nur.
Dann, als er in völliger Größe sichtbar wurde, streckte sie einen Arm aus und sagte beschwörend: „Nicht, Terrel!"
Die Warnung, die ihrem Instinkt entsprang, erwies sich als nur allzu berechtigt, denn der Außerirdische warf sich herum und stieß einen schrillen Schrei aus. Dann warf er sich auf Kadek.
„Nein, nein!" rief die Pädagogin entsetzt. „Das ist mein Freund."
Kadek war überrascht und wurde überrumpelt. Er lag auf dem Boden, bevor er nur an eine Gegenwehr denken konnte, und der Fremde hockte rittlings auf ihm und streckte seine gewaltigen Hände nach ihm aus. Doch Kadek war ein durchtrainierter kräftiger Raumfahrer. Er riß die Beine hoch und drückte sie gegen die Brust des Wesens.
Der Unbekannte brach Kadeks Widerstand mit einem einzigen Schlag.
Margo hatte niemals jemanden so schnell und hart schlagen sehen, es war, als empfände sie den Schmerz dieses schrecklichen Hiebs mit.
„Halt!" schrie sie auf.
Sie packte den Fremden am Rücken und zerrte an ihm.
Mit einem Ruck richtete das Wesen sich auf. Es taumelte seitwärts und hielt beide Hände ins Gesicht gepreßt, fast wie ein Mensch. Es schien zu schluchzen.
Margo beugte sich zu dem Raumfahrer hinab. Er war benommen, schien aber nicht schwer verletzt zu sein. Margo strich ihm über die Haare. Sie weinte vor Furcht und Anteilnahme. Terrel hob mühsam den Kopf und versuchte, ihr zuzublinzeln.
„Ist...
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