1025 - Ich töte jeden Sinclair!
war, gehörte nicht zur Normalität. Okay, in der Vergangenheit waren viele Dinge gelaufen, die nicht in die Norm des normalen Lebens hineinpaßten, aber eine Grabschändung noch nicht. Und wieder hing es mit den Sinclairs zusammen – wie die unerklärlichen Vorgänge aus der Vergangenheit.
Ich kam zu dem Resultat, daß die Menschen einfach Angst hatten.
Ja, Angst vor einem Besuch, denn der Grabschänder konnte noch immer irgendwo lauern. Da fürchteten sich die Menschen, daß auch sie persönlich von ihm attackiert wurden.
Genau dieses Gefühl beschlich mich auch. Das dumpfe Gefühl der Trauer hatte sich teilweise verflüchtigt. Ich beschäftigte mich gedanklich mit dem, was hätte sein können, und dachte dabei an den unbekannten Grabschänder.
Meine Umgebung schwieg.
Ich stand in ihr als einziges menschliches Lebewesen. Es war völlig normal. Keine Menschen, nur der doch recht dichte Bewuchs. Die schmalen Wege, die Gräber, die Steine, das satte Grün des Sommers, darüber ein traurig aussehender Himmel, als wollte er meine eigene Stimmung durch sein Aussehen wiedergeben.
Es wäre für mich an der Zeit gewesen, zum Haus meiner Eltern zu gehen, um dort Suko zu treffen. Es konnte so etwas wie ein Wissen sein, daß der Grabschänder tatsächlich auf mich lauerte.
Zwei Sinclairs waren tot.
Aller guten Dinge sind drei!
Ich brauchte schon eine gewisse Portion an schauspielerischem Können, um mich möglichst normal zu bewegen. Nichts überstürzen, nicht hektisch sein, mich nicht abrupt umdrehen und nicht so tun, als wäre ich von irgend etwas erschreckt worden.
Mir fiel es verdammt schwer, cool zu bleiben. Die Kälte kroch immer stärker meinen Rücken hoch. Ich fühlte mich beobachtet. Augen lauerten irgendwo in sicherer Deckung.
Ein kratzendes Geräusch ließ mich herumfahren.
Mein Herz schlug weniger schnell, als ich den Grund dafür entdeckte. Ich löste auch die Hand von meiner Waffe, denn ein Eichhörnchen war schnell an einem Baum in die Höhe gehuscht und hatte diese Laute hinterlassen.
Tief durchatmen.
Es ging mir aber nicht besser.
Schweiß hatte sich auf meinem Nacken gesammelt. Die Ahnungen in mir verdichteten sich. Ich dachte wieder an den Alptraum in der vergangenen Nacht. Doch das Grab vor mir öffnete sich nicht, um zwei halbverweste Zombies zu entlassen.
In meinem Kopf pochte es. Noch immer umschlossen Klauen meine Magengegend; dieses Gefühl hatte ich jedenfalls.
Es war etwas da. Ich wußte es. Im Hintergrund lauerte es auf einen günstigen Zeitpunkt.
Ich drehte den Kopf.
Nichts zu sehen. Der Friedhof kam mir vor wie ein grünes Gefängnis. Auch an der nahen Mauer bewegte sich nichts.
Mein Atem glich schon einem Stöhnen und auf keinen Fall einem harten Lachen.
Das genau hörte ich in diesem Augenblick!
***
Stocksteif blieb ich stehen. Urplötzlich hatte ich die Umgebung vergessen und auch meine Eltern. Mich interessierte das Grab nicht mehr, ich wollte nur wissen, wer da gelacht hatte und aus welcher Richtung mich das Lachen erreicht hatte.
Für beide Fragen gab es keine Antwort. Der Lacher hielt sich gut versteckt, denn Deckung gab es in dieser Umgebung für ihn mehr als genug.
Es war ein klarer Tag, auch wenn die Sonne nicht schien. Ich kam mir am Grab meiner Eltern stehend vor wie eine Zielscheibe. Irgend jemand brauchte nur in einem Gebüsch zu lauern und mit einer Waffe auf mich zu zielen. Er konnte mich von jeder Seite aus treffen.
Das Lachen war verklungen. Ich dachte trotzdem darüber nach. Es war mir nicht wie ein normales Lachen vorgekommen, wobei ich normal mit fröhlich oder echt verglich. Dieses Lachen war triumphierend gewesen, auf eine gewisse Art und Weise widerlich und zugleich auch wissend. Wer da gelacht hatte, der war sich seiner Sache sicher und wußte, daß er auf der Siegerstraße stand.
Seltsamerweise war die Angst vor einer Kugel in mir vergangen.
Wenn es tatsächlich der Killer war, der auf mich gelauert hatte, warum sollte er sich dann mit einer Kugel zufriedengeben. Das hatte er bei den beiden anderen Sinclairs auch nicht getan.
Allerdings durfte ich mich nicht mit ihnen vergleichen. Ich war jemand, der sich wehren konnte, und ich war zudem durch die beiden Untaten gewarnt.
Also abwarten. Nur wenig bewegen. Zumindest nicht mit dem Körper. Dafür mit den Augen. Ich schielte so gut wie möglich in die verschiedensten Richtungen, aber ich bekam nichts zu Gesicht. Abgesehen von der Umgebung, und die war dicht.
Ich blieb nicht mehr stehen,
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