1025 - Ich töte jeden Sinclair!
langen Schritten hatte ich die Stufen der Treppe hinter mir gelassen. Dann war ich in den Flur hineingestürmt und auch als erster im Zimmer der jungen Frau.
Karen Sinclair saß auf dem Bett. Sie schien zu Stein geworden zu sein. Sie rührte sich nicht. Ihr Mund stand offen, und die lauten Schreie waren jetzt erstickt. Trotzdem war sie nicht still, denn über ihre Lippen drang ein leises Wimmern.
Bevor ich mich um Karen kümmerte, suchte ich so schnell wie möglich das Zimmer ab.
Es hielt sich niemand außer uns darin auf. Es stand auch kein Fenster auf, und es gab auch keine Veränderung. Nur eben die starre Person auf dem Bett.
Suko war an der Tür wie ein Wächter stehengeblieben. Er überließ Karen mir, die mich aus großen, schockgeweiteten Augen anstarrte, dabei ihre Lippen bewegte, aber so gut wie nicht sprechen konnte.
Sie zitterte plötzlich, dann drangen zischende Laute aus ihrem Mund, aber in Worte fassen konnte sie die nicht.
Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die leichte Berührung ließ Karen zusammenschrecken, und wieder sah es so aus, als wollte sie schreien.
Meine Stimme beruhigte sie, hoffte ich. »Bitte, Karen, es ist vorbei. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Suko und ich sind hier. Wir werden uns um dich kümmern.«
Sie schwieg, aber sie schluchzte. Dabei wischte sie fahrig über ihr Gesicht. Meine Frage glich einem Test. »Du hast sicherlich schlecht geträumt, nicht wahr?«
Durch den offenen Mund saugte sie den Atem ein. »Geträumt?« flüsterte sie. »Nein, ich habe nicht geträumt. Es war kein Traum. Es war die Wahrheit.« Sie konnte plötzlich sprechen und stieß die einzelnen Worte rasch hintereinander aus.
»Was war kein Traum?«
»Er war hier!« Ihre Stimme hörte sich dunkel an. Beinahe wie die eines Mannes. »Vor dem Bett und im Zimmer hat er gestanden. Er hat mich besucht. Ich habe ihn gesehen. Er ist so schlimm gewesen…«
»Hat er dir etwas getan?«
»Nein.«
»Kanntest du ihn denn?«
Karen schüttelte den Kopf. »Aber er war der Sinclair, der mich angerufen hat. Das weiß ich.« Sie schlug sich selbst an die Stirn. »Himmel, wenn ich allein gewesen wäre, ohne euren Schutz! Da hätte ja Schlimmes passieren können.«
»Das stimmt allerdings.«
»Und was soll ich jetzt machen?« hauchte sie. »Er kommt doch zurück. Der kann überall hin, John.«
»Wie meinst du das?«
Sie hob die Schultern. »Ich will nicht, daß du mich für eine Spinnerin hältst, aber ich muß es dir einfach sagen. Er kam hier in das Zimmer, ich habe ihn gesehen, aber ich hatte das Gefühl, daß er kein normaler Mensch ist.«
»Sondern?«
Sie hob die Schultern. »Im Nachhinein kommt es mir ja auch lächerlich vor. Aber ich weiß keine andere Antwort.«
»Raus damit, Karen!«
Sie senkte den Kopf. »Er war da, aber er war nicht richtig da, wenn du verstehst. Er stand hier im Zimmer. Nahe an meinem Bett. Ich wollte ihn anfassen. Ich hatte auch meine Hand ausgestreckt, aber ich konnte es nicht.«
»Wie?«
»Sie fand keinen Widerstand. Sie ging hindurch. Einfach so, John. Als wäre er gar nicht da.«
Ich nickte. »Ja, ich glaube dir, Karen.«
»Was? Du…«
»Ich glaube dir wirklich. So etwas gibt es. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, daß du eventuell gestört bist oder wie auch immer. Diese Gestalt ist so.«
Karens starre Haltung veränderte sich. Sie drehte sich herum und stellte die Beine auf den Boden. »Nein, John, das kann ich nicht glauben. Es gibt keine Geister.«
»Doch, es gibt sie. Aber es ist schwer, dies zu erklären. Geh einfach davon aus, daß sie existieren.«
Glauben konnte sie es nicht. »Dann muß mich ja ein Geist angerufen haben.«
»Nicht unbedingt.«
Sie lachte, und es hörte sich an, als wollte sie mich auslachen.
»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr, ehrlich gesagt. Gibt es den Geister, die normale Menschen anrufen?«
»Kann sein, glaube ich aber nicht. Sie würden auf einem anderen Weg Kontakt mit ihnen aufnehmen, aber dieser Sinclair ist eben etwas ganz besonderes. Er ist«, ich zögerte etwas mit der Antwort.
»Was ich dir jetzt sage, wird dir verrückt oder unbegreiflich vorkommen, aber es gibt ihn als Menschen und als Geist.«
Das war schwer zu begreifen. Besonders für einen Menschen, der sich mit diesem Thema noch nie auseinandergesetzt hatte. Ich gab ihr auch Zeit, um überlegen zu können, und ihre Antwort überraschte mich dabei nicht. »Wieso gibt es ihn als Menschen und als Geist? Entweder ist er das eine oder das
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