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1026 - Der Favorit

Titel: 1026 - Der Favorit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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zu geben. Sie waren Betschiden und standen füreinander ein, auch in schlechten Zeiten, und darauf waren sie stolz.
    Sie ahnten allerdings auch nicht, wie sehr sie Mallagan mit ihrer Nachsicht und ihrer Freundlichkeit auf die Nerven gingen. Der Betschide spürte zwar immer deutlicher, daß Emotionen, die er sonst mühelos unter Kontrolle behielt, ihn geradezu überrumpelten, aber er fühlte sich trotz allem recht wohl. Wenn er sich bewegte, fühlte er die unbändige Kraft in seinen Muskeln, und er litt darunter, daß er diese Kräfte nicht erproben konnte.
    Wenn er um sich blickte, entdeckte er Dinge, die ihm bis zu diesem Augenblick völlig entgangen waren und von denen er wußte, daß seine Freunde sie auch jetzt nicht erfaßten.
    Er betrachtete die unkenntlich gemachten Schriftzeichen an den Wänden und entdeckte grundlegende Unterschiede in ihnen. Es gab welche, die echt waren, und andere, die man mit einer bestimmten Absicht angebracht hatte - in ihnen saßen Spiongeräte. Diese neuen, künstlich angebrachten Spuren ergaben keinen Sinn, die alten dagegen waren für ihn nicht länger unleserlich. Er verstand die Botschaften, die frühere Gefangene in die Wände geritzt hatten. Noch vor wenigen Tagen hätten sie ihn aufgewühlt und ihm klärgemacht, was er von der Bruderschaft zu halten hatte. Jetzt dagegen waren sie ihm gleichgültig.
    Und er entdeckte noch vieles mehr. Er erforschte die Zelle, ohne sich dabei vom Fleck zu rühren, denn er wagte es nicht, vor den Augen seiner Freunde umherzugehen und alles zu betasten.
    Irgendwann, es mußte schon Abend sein, wurde die Tür geöffnet. Zwei bewaffnete Tarts standen draußen, und ein gnomenhaftes Wesen, das eine schwere Tasche trug, huschte wieselflink zur Wasserleitung und brachte ein neues Rohr an. Mallagan hatte sich mit Bedacht einen Platz ausgesucht, von dem aus er auf den Gang hinausblicken konnte, falls die Tür geöffnet wurde. Er verzog keine Miene, als er den Erleuchteten im Hintergrund stehen sah. Der Krane gab ihm Zeichen, die er mühelos deutete - noch war die Zeit nicht gekommen.
    Scoutie und Brether Faddon schienen bereit zu sein, einen Fluchtversuch zu wagen.
    Mallagans unveränderte Haltung und stoische Ruhe brachten sie aus dem Konzept, und ehe sie soweit waren, daß sie sich darüber hätten hinwegsetzen können, war der Gnom schon wieder verschwunden.
    „Ob wir wohl jemals wieder hier herauskommen?" fragte Scoutie bedrückt.
    Surfo Mallagan lächelte verächtlich. Der Fluchtweg war - seiner Meinung nach - so deutlich markiert, daß es außerordentlich schwer sein mußte, ihn nicht zu sehen. Er hätte sein Wissen gerne kundgegeben, aber bevor er das tat, mußte er sich vergewissern, daß er seinen Freunden damit keine Verdachtsmomente lieferte.
    „Wie lange seid ihr schon in dieser Zelle?" fragte er.
    Sie starrten ihn an, als wäre er ein Gespenst.
    „Dem Geist der SOL sei Dank!" stieß Scoutie schließlich hervor. „Er ist wieder normal."
    Mallagan hätte sie darüber aufklären können, daß es sich niemals anders verhalten hatte, aber er verzichtete darauf.
    „Wie lange?" wiederholte er ungeduldig.
    „Seit zwei Tagen", erklärte Brether Faddon. „Warum fragst du?"
    „Weil ich wissen möchte, ob man uns beobachten kann. Habt ihr dazu etwas herausgefunden?"
    „Nicht viel. Ich glaube nicht, daß man uns ständig kontrolliert, aber ich kann es nicht sicher beweisen."
    Mallagan tat, als müßte er sich alles gründlich überlegen.
    „Wir müssen eben ein gewisses Risiko eingehen", sagte er nach einer gebührenden Pause. „Ich habe keine Lust, mich wochenlang in eine solche Zelle sperren zu lassen."
    Das entsprach sogar der Wahrheit.
    „Wenn es bei ein paar Wochen bliebe, wäre es eventuell noch auszuhalten", murmelte Brether Faddon mißmutig.
    „Länger würde es bestimmt nicht dauern", erklärte Mallagan nüchtern. „Irgendwann wurden sie uns nämlich doch herumbekommen. Aber auch darauf möchte ich nicht warten."
    „Du hast einen Plan!" stellte Scoutie fest. „Komm schon, sprich dich aus."
    „Das hätte jetzt wenig Sinn", behauptete Mallagan. „Es gibt nicht viel zu sagen, und wir müssen ohnehin die Nacht abwarten."
    Brether Faddon lachte plötzlich laut auf und versetzte seinem Freund einen Rippenstoß.
    „So gefällst du mir schon besser!" sagte er.
    Er sah und merkte nicht, wie Mallagan bei der kurzen Berührung zusammenzuckte. Der Betschide verspürte den dringenden Wunsch, den Schlag zurückzugeben, allerdings in weniger

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