1028 - Der einsame Gefangene
deshalb, damit Jaagan und Herzog Gu sich nicht vernachlässigt fühlen."
Baran beugte sich vor zum Interkom.
4.
Allmählich wurde die Strömung schwächer und der Fluß breiter. Im Osten begann es bereits zu dunkeln. Es wurde Zeit, sich nach einem geeigneten Übernachtungsplatz umzusehen, ehe die Nacht anbrach.
„Mehr zum rechten Ufer", riet Brether Faddon. „Da gibt es kleine Buchten, tote Arme und gelegentlich auch Nebenflüsse. Wir müssen darauf achten, daß wir Schutz gegen Sicht von oben haben."
„Bis jetzt haben wir nichts von einer Verfolgung bemerkt", sagte Scoutie zuversichtlich.
„Vielleicht lassen sie uns einfach laufen."
„Das glaubst du doch wohl selbst nicht, Mädchen. Wir haben bis jetzt einfach Glück gehabt, das ist alles." Er sah angestrengt nach vorn. „Noch weiter nach rechts, Scoutie!
Wir versuchen es in der Bucht dort."
Das Floß war alles andere als gut zu manövrieren. Nur schwerfällig und widerwillig gehorchte es Ruder und Paddel. Die beiden Betschiden hatten alle Mühe, es schräg zur eigentlichen Strömung in die tief eingeschnittene Bucht zu bringen, in der das Wasser fast stillstand. Baumkronen neigten sich von beiden Seiten so weit über, daß der Himmel kaum noch zu sehen war.
„Sehr vertrauenerweckend sieht der Wald nicht gerade aus", stellte Scoutie fest, als das Floß sanft schaukelnd zum Stillstand kam. „Ich verzichte auf einen Landgang."
„Das Floß bietet genügend Raum. Wir werden es provisorisch verankern, damit wir nicht ans Ufer treiben."
Scoutie zögerte, dann murmelte sie: „Ich müßte aber eigentlich mal..."
„Ich drehe mich um", sagte er und beschäftigte sich damit, in eine der Schlingpflanzentaue eine Schlinge zu knüpfen, die er dann ins Wasser hinabließ und den Grund nach einem Hindernis absuchte, bis sich das provisorische Seil endlich straffte.
„Geschafft!" rief er erfreut. „Hier sind wir sicher."
Sie aßen von mitgenommenen Früchten und tranken Wasser aus dem Fluß. Es war sauberer als das der Sumpfseen.
„Wie weit mag es noch bis zur Mündung sein?" fragte Scoutie, die sich lang auf den Baumstämmen ausgestreckt hatte.
„Hm, ich weiß nicht. Aber die Strömung ist schon schwächer geworden, ein sicheres Zeichen dafür, daß wir uns dem Ozean nähern. Nun, zehn oder zwanzig Kilometer vielleicht, mehr auf keinen, Fall."
„Könnten wir morgen schaffen."
„Wenn ich kräftig paddele", meinte er und schob sich näher an sie heran. „Hoffentlich frierst du nicht in der Nacht."
„Auch die Nächte sind hier warm", wehrte sie ihn ab und verschränkte die Arme unter dem Kopf. „Und nun will ich schlafen, morgen ist ein anstrengender Tag."
„Ja, besonders für mich", knurrte er und gab sich zufrieden.
Bald schimmerten die ersten Sterne durch die Lücken im Blätterdach, das sich über die Bucht spannte.
Scoutie behielt recht: es kühlte kaum ab.
*
Am anderen Morgen steuerten sie das Floß aus der Bucht und trieben wieder stromabwärts. Sie hielten sich so dicht wie möglich am rechten Ufer, denn sie rechneten jeden Augenblick mit dem Auftauchen von Verfolgern. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß man die Suche nach ihnen schon aufgegeben hatte.
In den folgenden Stunden legten sie kaum mehr als fünf Kilometer zurück, weil die Strömung so schwach geworden war, daß man glauben konnte, auf einem See zu sein, der nur zufällig die Form eines Flusses besaß. Faddon paddelte und fluchte gleichzeitig, aber er brachte das Floß kaum von der Stelle. Der Wald hatte sich auch gelichtet und machte einer unübersichtlichen Insellandschaft Platz, die von unzähligen Flußläufen durchzogen wurde. Auch im Strom selbst tauchten immer mehr Inseln und Sandbänke auf. Gegen Mittag war Faddon sicher, daß sie hier kaum wieder einmal herausfinden würden.
„Kaum noch Strömung", stellte er fest. „Muß ja ein riesiges Deltagebiet sein. Wenigstens gibt es auf den Inseln noch Büsche, in denen man sich notfalls verstecken kann. Ich habe auch vereinzelt Bäume mit Früchten gesehen."
Scoutie begriff.
„Na schön, suchen wir eine Insel. Du mußt ziemlich fertig sein vom Paddeln."
„Total erschöpft", gab er zu.
Sie ließen das Floß nun einfach treiben, immer in de Hoffnung, daß selbst die kaum merkliche Strömung sie früher oder später zur Mündung tragen mußte. Vom eigentlichen Hauptfluß war nichts mehr zu bemerken. Sie befanden sich mitten in einem Gewirr von schmalen Wasserläufen und Tausenden von kleinen
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