1028 - Der einsame Gefangene
dessen eventueller Start nicht unbemerkt geblieben wäre.
Faddon schlief unruhig in dieser Nacht. Immer wieder kehrten seine Gedanken zurück zu dem verschwundenen Mallagan, dessen Ungewisses Schicksal ihm die größten Sorgen bereitete. Sollte Herzog Gu wirklich die Wahrheit gesagt haben, als er behauptete, nur das Beste für alle drei Betschiden im Sinn zu haben, wenn man nach Kran flöge?
Als der Morgen graute, schlief Scoutie noch immer. So leise wie möglich erhob sich Faddon, löste den provisorischen Anker und ließ das Floß mit der fast unmerklichen Strömung weitertreiben. Sie mußten sich wieder auf einem der Hauptarme befinden, denn die Ufer entfernten sich immer weiter vom Floß. Ein Suchtrupp würde sie jetzt unweigerlich entdecken, wenn er nicht mit Blindheit geschlagen war.
Als die Sonne aufging, erwachte Scoutie. Erstaunt richtete sie sich auf.
„Ich muß fest geschlafen haben", stellte sie fest.
„Wie ein Mumphie", bestätigte er und spielte damit auf ein wegen seiner sprichwörtlichen Faulheit bekanntes Tier auf Chircool an.
Scoutie verzog ein wenig das Gesicht, ging aber nicht weiter auf die Bemerkung ein.
Wortlos zerlegte sie die letzten Früchte und schob Faddon seinen Anteil zu. Schweigend aßen sie, und in stummer Vereinbarung beobachteten sie ständig den Himmel, in der Hoffnung, daß dort bald etwas auftauchen würde, das nicht in diese Urlandschaft gehörte.
Gegen Mittag verbreiterte sich der Strom so sehr, daß Faddon schon annahm, die Mündung erreicht zu haben. Da er keine Lust verspürte, in den Ozean hinauszutreiben, steuerte er eine flache und vegetationslose Sandbank an, die keine Deckung bot.
Knirschend lief das Floß auf. Die beiden Betschiden zogen es ein Stück, auf den Strand, damit es nicht abtreiben konnte.
Und dann, kaum eine Stunde später, deutete Scoutie hinauf in den Himmel und rief: „Sie kommen, Brether! Sie kommen tatsächlich!"
Faddon, der in einiger Entfernung einen Tümpel mit kleinen Fischen und Krebsen entdeckt hatte und bemüht war, etwas zu fangen, kam herbeigelaufen.
Ein Gleiter flog in geringer Höhe auf die Sandbank zu, von einigen Flugrobotern begleitet. Scoutie begann wie verrückt zu winken, um auf sich aufmerksam zu machen und außerdem friedliche Absichten zu bekunden. Die Roboter änderten auch sofort ihre Richtung und landeten dicht neben den Betschiden. Wenig später setzte auch der Gleiter auf. Ein Krane stieg aus und ging auf sie zu. Seine Waffe blieb im Gürtel.
„Ihr stellt euch freiwillig?" vergewisserte er sich.
„Unsere Flucht war ein Fehler", gab Faddon zu. „Du hättest an unserer Stelle wahrscheinlich genauso gehandelt."
„Kommt in den Gleiter, Kommandant Klidser erwartet euch."
Mehr wurde nicht gesprochen, wenn Faddon sich auch über die Tatsache wunderte, daß der Kommandant und nicht Herzog Gu sie erwartete.
Fast drei Tage hatte ihr Ausflug gedauert, und in weniger als zehn Minuten kehrten sie nun zur KRANOS zurück, die immer noch am selben Fleck stand. An Bord empfing sie Kommandant Klidser ohne jeden Vorwurf. Jetzt erst erfuhren sie, was inzwischen geschehen war.
Aber sie erfuhren längst nicht alles.
„Und warum sollen ausgerechnet wir mit den entflohenen Gefangenen verhandeln?"
fragte Faddon etwas verblüfft. „Sind wir nicht selbst auch Gefangene?"
„Stadtverwalter Tarnis und Chef der Schutzgarde Op werden euch die Gründe verraten.
Sie erwarten euch in Bromos' Festung. Die Entführung des Herzogs ist das schwerste Verbrechen, dessen ich mich entsinnen kann, und wir alle hoffen, daß ihr alles tun werdet, was zu seiner Befreiung notwendig ist."
„Ich verstehe noch immer nicht", begann Faddon, wurde aber ungeduldig unterbrochen: „Ihr werdet schon verstehen, wenn es soweit ist. Und nun geht. Zwei meiner Offiziere werden euch zur Festung begleiten."
Damit waren sie entlassen.
*
Der Tart Op hatte seine Meinung nicht geändert.
„Ohne Gewalt erreichen wir überhaupt nichts", sagte er zu dem gemäßigt eingestellten Tarnis, bevor die beiden Betschiden in der Festung eintrafen. „Die Entführer beharren auf ihrer ursprünglichen Forderung, und wir gäben ein schlechtes Beispiel, würden wir nachgeben."
„Natürlich werden wir sie nicht in Frieden ziehen lassen", belehrte ihn der Krane. „Aber ich bin dafür, zuerst einmal auf ihre unverschämten Forderungen einzugehen. Noch wissen sie nicht, wen sie da in ihrer Gewalt haben, aber wenn sie es erführen ..."
„Wie sollten
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