1028 - Der einsame Gefangene
Entführer die Chance haben, ihre Geiseln zu töten, ehe sie bewußtlos werden." Er sah sich in der Runde um. „Hat noch jemand was zu sagen?"
Niemand meldete sich.
„Gut", zeigte Tarnis sich zufrieden. „Dann schlage ich einige Stunden Schlaf vor. Wir müssen morgen auf dem Posten sein. Der Zeitpunkt ist allen bekannt."
Schweigsam gingen sie auseinander.
*
Obwohl 1-Lindepj ihn von der Wache befreit hatte, schlief Ford in dieser Nacht kaum.
Der ganze Befreiungsplan war gefährdet, wenn er seine Waffe nicht zurückerhielt. Und es sah ganz so aus, als wäre genau das der Fall. Er war sogar sicher, daß 1-Lindepj sich früher oder später seiner für immer entledigen würde.
Aber nun gab es keine Möglichkeit mehr, Baran oder Tarnis von der neuen Situation zu unterrichten, damit sie den Plan entsprechend ändern konnten. Alles würde so ablaufen, wie es besprochen worden war, nur fehlte dann die entscheidende Trumpfkarte.
1-Lindepjs Motiv war klar: er hatte Ford zwar von Anfang an mißtraut, ihn jedoch für die Verbandlungen benötigt. Nun waren diese Verhandlungen in seinem Sinn abgeschlossen worden, und er war fast davon überzeugt, Ford sei überflüssig geworden. Er wollte sich nicht weiter mit ihm belasten.
Wenn es wenigstens eine Möglichkeit gäbe, Tarnis zu warnen!
Aber so sehr er seinen Geist und seine Erfindungsgabe auch anstrengte, er fand keine, die das Mißtrauen der Piraten nicht noch verstärkt hätte.
Als der Morgen graute, fühlte er sich wie zerschlagen.
1-Lindepj kam zu ihm: „Nun, Ford? Schlecht geschlafen, was? Warum? Angst?"
„Angst - vor wem?"
„Vor dem da draußen", erwiderte der Aychartaner und deutete in Richtung des Fensters.
„Sei ehrlich: witterst du vielleicht eine Falle?"
„Ich konnte die Gedanken von Tarnis und den anderen nicht lesen", wich Ford einer direkten Antwort aus, „aber ich bin überzeugt, daß sie sich an die Vereinbarungen halten werden."
„Das hoffe ich auch." Er kehrte zum Tisch zurück, setzte sich und starrte auf den dunklen Bildschirm. „Wann werden sie sich melden?"
Ford schwieg. Er wußte es selbst nicht.
Er ahnte nur, daß es für beide Seiten eine Überraschung geben mußte.
Er fragte sich nur, zu wessen Gunsten sie sich auswirken würde.
*
Eine Stunde später meldete sich Tarnis.
„Es ist alles bereit", gab er bekannt, als 1-Lindepj den Interkom aktiviert hatte. „Baran hat zwei Wärter bereitgestellt, die euch zum Ausgang begleiten. Sie werden nicht bewaffnet sein. Die Entfernung bis zum Schiff beträgt knapp dreihundert Meter, wie ihr selbst feststellen könnt, wenn ihr aus dem Fenster seht. Niemand wird sich zwischen Festung und Schiff aufhalten. Ich schlage noch einmal vor, die beiden Geiseln freizulassen, sobald ihr euch davon überzeugt habt, daß mit dem Schiff alles in Ordnung ist und..."
„Abgelehnt!" unterbrach ihn 1-Lindepj. „Die beiden kommen mit, bis wir sie irgendwo absetzen können. Und versucht nicht, uns zu folgen, wenn wir gestartet sind."
„Natürlich nicht. Ich möchte noch einmal mit Ford sprechen."
Der Pirat warf Ford einen warnenden Blick zu und erwiderte: „Leider gerade nicht möglich, er befindet sich nebenan im Waschraum. Du kannst also genauso gut mit mir reden."
„Dann warte ich solange."
„Du wirst nicht warten!" sagte 1-Lindepj wütend. „Wir werden jetzt den Raum mit unseren Geiseln verlassen. Und - keine Dummheiten, wenn ich bitten darf!"
„Aber..."
„Kein Aber! Ford ist nicht mehr für dich zu sprechen."
Eine Sekunde lang blieb es still, dann verriet ein leises Knacken im Interkom, daß Tarnis die Verbindung unterbrochen hatte. 1-Lindepj stieß noch einen Fluch aus, dann stand er auf.
„Fertigmachen!" befahl er seinen Piraten. „Ford, du bleibst dicht neben mir. Die Gefangenen kommen in die Mitte, alles wie besprochen." Er sah Ford an. „Hast du eine Ahnung, warum Tarnis dich noch sprechen wollte? Es war doch alles klar, oder nicht?"
„Natürlich ist alles klar", entgegnete Ford so gelassen wie möglich, obwohl in seinem Innern alles in Aufruhr war. „Vielleicht wollte er sich auch nur davon überzeugen, daß ich noch lebe."
1-Lindepj überhörte den Hohn geflissentlich.
„Los, steht auf! Der Dicke auch! Es geht los ..."
Einer der Piraten öffnete die Tür. Auf dem Gang standen zwei Kranen mit ausdruckslosen Gesichtern. Sie waren unbewaffnet. 1-Lindepj schickte fünf Piraten vor, dann folgten die beiden Geiseln und Ford, unmittelbar hinter ihm ging
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