1030 - Das Ende einer Hexe
Boden als daß sie tappten. Sie geriet schon sehr bald aus meinem Blickfeld, und ich wollte ihr auch nicht nachschauen.
Quiller hatte ihr nachgestarrt. Er lag am Boden. Das Messer hatte er nicht losgelassen, aber ich wollte ihn unbewaffnet haben.
»Wirf das Messer weg!« flüsterte ich ihm zu. »Los, weg damit! Aber so weit, daß du nicht herankommen kannst!«
»John, nein!« versuchte er es wieder. »Es wäre vielleicht besser, wenn ich es behalte. Wir beide müssen gegen die Hexe angehen. Du kannst dich auf meine Hilfe verlassen. Wir sind doch Menschen, waren zusammen in der Klasse und…«
»Weg mit dem Messer! Denk an den Mann im Hotel und denk auch an Edgar Harriman. Soll ich noch mehr sagen?«
Quiller hob die Schultern. Dann bewegte er seine rechte Hand und schleuderte die Waffe aus dem Gelenk heraus so weit weg, daß sie unter einen Tisch rutschte.
»Sehr gut«, sagte ich.
»Trotzdem machst du einen Fehler, John. Diese Frau kann nicht sterben, das hat sie mir gesagt. Wie willst du gegen sie ankommen? Das ist unmöglich - ehrlich.«
Er redete, er bewegte sich, er hatte ablenken wollen, und plötzlich sprang er auf. Ich wußte nicht, was ihn dazu trieb. Möglicherweise wollte er seine allerletzte Chance nutzen, um das Ruder herumzureißen. Noch während er sich bewegte, griff er zur Waffe. Ich hätte schießen können, aber ich wollte ihm noch eine letzte Chance geben. »Nein, Quiller!«
Er hörte nicht. »Scheiße!« brüllte er, sprang auf, drehte sich selbst und drehte auch durch. Sein Körper glich dem eines Tänzers, der - einmal in Bewegung - nur schwer zu stoppen war.
Jemand war schneller als ich!
Dicht an meinem rechten Ohr vernahm ich das sausende Geräusch. Dann huschte der Stahl an mir vorbei, bevor ich abdrücken konnte.
Das Fischmesser traf sein Ziel.
Plötzlich spritzte Blut aus dem Gesicht meines ehemaligen Klassenkameraden, denn dort hatte ihn die Klinge getroffen. Der Albino flog zurück, er krachte mit dem Rücken gegen die Wand, und für einem Moment sah es so aus, als hätte man ihn dort mit dem Körper angeklebt. Aber nur für einen Augenblick, dann gaben die Beine nach, er brach zusammen und mußte einfach tot sein.
Hinter mir hörte ich einen leisen Schrei.
Ich fuhr herum.
Vor der Tür stand Mona wie festgeklebt. Sie war unfähig, sich zu rühren. Allmählich nur wurde ihr klar, was sie da getan hatte. Aus dem offenen Mund drangen die glucksenden Laute, die dünne Haut am Hals bewegte sich zuckend. Für einen normalen Menschen war eine derartige Tat kaum zu verkraften.
An Giovanna Sarti wurde ich urplötzlich wieder erinnert. Eigentlich hätte sie mich angreifen müssen, doch als sie sich bewegte, da huschte sie dicht an mir vorbei.
Ihr Ziel war Mona.
Ich fuhr herum. Dann schoß ich. Dabei traf ich auch den Rücken der Hexe. Sie zuckte zusammen, blieb aber nicht stehen, sondern rannte weiter.
Es war von meiner Seite aus auch mehr eine Verzweiflungstat gewesen, weil ich wußte, daß eine Silberkugel gegen eine Kreatur der Finsternis nichts ausrichtete.
Sie war schneller bei Mona als ich.
Blitzartig umklammerte sie die Hüften der jungen Frau, drehte sie herum, so daß mein nächster Schuß nicht Gio, sondern Mona getroffen hätte.
Mit einem Tritt wuchtete sie die Tür auf.
Im gleichen Moment startete ich. Es war keine große Entfernung, doch die Tür wurde mir zum Verhängnis und auch die wenigen Sekunden, die den Vorsprung ausmachten.
Beide Frauen waren draußen.
Giovanna wuchtete die Tür zu, die mir fast gegen Kopf und Körper geprallt wäre. Als nächstes hörte ich von ihr ein Lachen, das nichts Menschliches mehr an sich hatte…
***
Ich hätte mich schon durch die Tür hindurchbeamen müssen, um noch eine Chance zu haben. Da dies leider nicht möglich war, blieb mir nur der gleiche Weg und damit auch das volle Risiko.
Ich zerrte die Tür wieder auf. Daß die Hexe mit einer Waffe auf mich zielen würde, stand nicht zu befürchten. Sie beherrschte dafür andere Künste, die ebenfalls nicht zu unterschätzen waren. Da konnten noch so viele Wunden ihren Körper zieren, bei einer normalen Hexe hätte Quiller Erfolg gehabt, aber nicht bei einer Kreatur der Finsternis, die schon seit Urzeiten existierte.
Es war noch hell draußen, aber die Bäume gaben bereits längere Schatten ab. Das Sonnenlicht hatte sich etwas in den Hintergrund gedrängt, auch wenn der Himmel im Westen noch nicht von dieser grellroten Riesenapfelsine bedeckt wurde.
Zu sehen waren die
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