1032 - Baphomets Monster
Vielleicht vermutete sie auch irgend jemand in der Umgebung, der sie unter Kontrolle hielt, deshalb diese Vorsicht.
Sie war schlank und dunkelhaarig und trug eine helle Hose, eine ebenfalls helles T-Shirt und Turnschuhe.
Zwar blieb ich am Fenster stehen, stellte mich jedoch in den toten Winkel und gab den anderen beiden ein Zeichen. Sie hatten noch nichts gesehen und waren deshalb überrascht, als ich ankündigte, daß Besuch unterwegs war.
Suko fuhr herum. »Wo und wer?«
»Eine Frau.« Ich deutete nach draußen. »Mir unbekannt. Vielleicht eine Bekannte des toten Ducroix.«
Der Abbé hatte sich bisher noch nicht gemeldet. Darüber wunderte ich mich und wollte ihn ansprechen, als ich seine steife, schon unnatürliche Haltung sah. Er starrte durch das Fenster und hatte nur Augen für diese Frau.
»Kennst du sie?« fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf. »Im Prinzip nicht, John. Nur kommt sie mir irgendwie vertraut vor. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das die Frau, die mich gewarnt hat. Schaut euch ihre Bewegungen an. So geht kein normaler Mensch. Ich habe gesehen, wie sie klettern konnte. Das war schon eine artistische Leistung. Und auch sie bewegt sich wie eine Tänzerin. Das muß sie sein. Ich kann mir nichts anderes vorstellen.«
Sehr rasch lief die Unbekannte die letzten Schritte auf die Tür zu.
Sie hatte längst einen Blick durch das Fenster geworfen und mußte uns auch gesehen haben. Trotzdem ließ sie sich nicht davon abbringen, an die Tür zu klopfen.
Der Abbé war schon unterwegs, um zu öffnen. Wir hörten ihn kurz mit der Frau sprechen. Die Stimmen klangen hastig, dann erschienen beide im Raum, wobei der Abbé dicht hinter der Frau blieb und sich ein Lächeln abrang.
Unsicher schaute uns die Dunkelhaarige an. Sie hatte ein feingeschnittenes Gesicht und war sehr schlank. In ihren dunklen Augen lag ein mißtrauischer und furchtsamer Ausdruck.
»Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte der Abbé. »Hier sind Sie sicher. John Sinclair und Suko sind Freunde von mir. Das geht schon in Ordnung.«
»Er hat recht«, sagte ich und reichte der jungen Frau die Hand. Ich stellte mich persönlich noch einmal vor, dann erfuhren wir auch ihren Namen.
Sie hieß Marina Caneri.
»Italienerin?« fragte ich.
»Nein, ich komme aus Frankreich. Nur der Name klingt italienisch. Das liegt an meinen Vorfahren.« Sie lächelte verkrampft und schaute sich noch immer furchtsam um.
»Sollen wir die Fenster schließen?« fragte Suko.
»Nein, das ist jetzt nicht nötig.«
»Aber später?«
Sie sagte nichts und ließ sich in einem Sessel nieder. Der Abbé war gegangen, um etwas zu trinken zu holen. Mit mehreren Dosen Wasser kehrte er zurück.
Damit hatte er uns allen einen Gefallen getan. Es zischte einige Male, als wir die Dosen öffneten. Die Außenhaut hatte sehr schnell Feuchtigkeit angenommen. Marina wäre die Dose beinahe aus der Hand gerutscht, was auch an ihrer Nervosität lag.
Das Wasser tat uns allen gut. Nach den ersten Schlucken stellte ich meine Frage. »Sie haben also den Abbé gewarnt?«
»Ja, das war ich.«
»Dafür möchte ich Ihnen noch danken«, sagte Bloch.
»Ach, Unsinn.« Sie winkte ab. »Es hat sein müssen. Ich fühlte mich plötzlich dazu verpflichtet.« Sie atmete tief aus. Das T-Shirt klebte an ihrem Körper und zeigte einige nasse Flecken. »Ich wußte nicht, daß es so schlimm werden würde.«
»Obwohl Sie zu ihnen gehörten?« fragte Suko.
Marina winkte ab. »Was heißt zu ihnen gehörten? So war es ja nicht, Suko. Ich bin gezwungen worden. Ja, gezwungen, ob Sie es mir glauben oder nicht.«
»Doch, wir glauben Ihnen.«
»Man hat mich geholt. Man hat mich benutzt. Man hat mich erpreßt. Diese Männer brauchten jemand, der geschickt genug war, an einem Seil zu diesen Figuren hochzuklettern. Sie selbst hätten das nicht gekonnt, und einen anderen Weg schien es nicht zu geben. Vielleicht wollten Sie auch nicht über Leitern steigen, was weiß ich. Jedenfalls hat man mich gezwungen, mitzumachen. Hätte ich es nicht getan, sie hätten mich erstochen, und das nehme ich ihnen auch ab. Sie sind brutal, das haben Sie selbst erlebt, Monsieur Bloch. Ihren Freund habe ich nicht mehr warnen können, jetzt ist er tot.«
Ich hatte eine andere Frage. »Warum sind Sie in einem so ungewöhnlichen Kostüm hochgestiegen? Der Abbé hat uns davon berichtet.«
»Damit trete ich auch im Zirkus auf. Die anderen wollten es so.«
»Und wer sind diese anderen?« hakte ich nach.
»Tja«, flüsterte
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