1032 - Baphomets Monster
Daran würde er bis zu seinem Todestag denken.
Um ihn herum war es still. Nichts regte sich mehr. Nur das eigene Atmen hörte der Abbé, der sich dann bewegte wie ein Träumer und nach dem steckenden Zündschlüssel griff.
Wie immer sprang der Motor des R4 etwas widerwillig an, als sollte Bloch noch an denjenigen erinnert werden, dem der Wagen einst gehört hatte und der nun tot im Fond lag.
Der Templer wollte zurück zum Haus seines Freundes fahren. Begraben konnte er ihn nicht, das mußte später erfolgen. Auch die Polizei wollte er aus dem Spiel lassen, aber morgen war auch noch ein Tag, und John Sinclair hatte ihm sein Kommen zugesagt.
Er fuhr einfach los. Und er achtete dabei auch nicht auf irgendwelche Verfolger. Sie hätten ihn jetzt abschießen können, ohne auf Gegenwehr zu treffen.
Daß der Abbé auf dem Weg zum Haus seines Freundes war, glich schon einem Zufall. Er stellte den Wagen davor ab, stieg aus und öffnete die Fondtüren. Dann holte er die Leiche hervor. Er schleppte sie ins Haus und legte sie in das Schlafzimmer. Auf dem schlichten Bett fand der Tote seinen Platz.
Im Licht der Lampe sah der Abbé die drei Einschußlöcher zum erstenmal richtig. Dreimal war also geschossen worden. Es gab drei alte Templer-Kirchen, es gab auch drei Figuren und nun auch drei Kugellöcher im Körper des Freundes.
Dreimal hatte bei ihm der Tod zugeschlagen.
Der Templer schluckte den eigenen Speichel. Kniend nahm er noch einmal Abschied. »Dein Tod wird nicht ungesühnt blieben, das kann ich dir versprechen, René.«
Danach stand er auf. Mit müden Schritten kehrte er zurück ins Wohnzimmer. Er roch den Staub und nahm diesen Geruch auf wie ein letztes Andenken an seinen toten Freund.
Aber er dachte auch an sich und daran, wie knapp er dem gleichen Schicksal entronnen war. Hätte ihn diese geheimnisvolle Unbekannte nicht gewarnt, wäre er vielleicht nicht mehr am Leben. Die andere Seite kannte keine Gnade.
Es ging um Baphomet. Es ging um seine auf den Kirchendächern hockende Monster, und der Abbé hatte auch nicht in den kalten, hellen Glanz in deren Augen vergessen.
Ein erstes Anzeichen von Leben?
Nein, Leben wollte er das nicht nennen. Höchstens ein Erwachen.
Das böse Erwachen schrecklicher Kreaturen. Selten hatte er John Sinclairs Eintreffen so herbeigesehnt wie jetzt.
Leider konnte er nicht fliegen, und so mußte sich der Abbé den Rest der Nacht und die meiste Zeit des Tages noch gedulden müssen. Auch in der Hoffnung, am Leben zu bleiben.
Er war müde und trotzdem aufgeregt und innerlich angespannt.
Es war unmöglich, wenn er die Nacht über im Haus hin- und herlief. Er mußte versuchen, Schlaf zu finden, sonst sah der andere Tag noch schlechter für ihn aus. Und den Schlaf fand er auch. Irgendwann, kurz vor Sonnenaufgang schlief er in einem Sessel sitzend ein.
***
Der Abbé hatte uns vom Bahnhof abgeholt, der als Treffpunkt ausgemacht worden war. Wir aber waren mit einem Leihwagen gekommen, der am Flughafen bereitgestanden hatte, und vor allen Dingen besaß der BMW – wir nahmen ihn immer, wenn Suko mit von der Partie war – eine Klimaanlage.
Schon beim ersten Anblick auf dem Bahnsteig war uns aufgefallen, wie schlecht unser Freund Bloch aussah. Auf der Fahrt zum Ziel erfuhren wir den Grund.
Suko saß hinter dem Lenkrad. Er fuhr gern. Und er ließ sich auch nicht durch den Bericht des Abbé stören, den er sehr emotional rüberbrachte. Für ihn war die letzte Nacht schrecklich gewesen, aber er wußte auch, daß das große Übel noch bevorstand. Und er war fest davon überzeugt, daß Baphomets Monster erwachen würden.
Mich interessierte die geheimnisvolle Kletterin. Sie war praktisch die einzige Spur, der wir nachgehen konnten. Ich wollte von dem Abbé wissen, ob sie nicht doch noch etwas gesagt hatte, das wichtig sein konnte.
»Nein, John, nichts. Sie hat mir nicht einmal ihren Namen genannt. Überzeugt war sie von ihrer Sache nicht, das habe ich heraushören können. Ich nehme an, sie steht unter Zwang. Zudem hat sie mir zu verstehen gegeben, daß sie nicht aus eigener Initiative handelt. Jemand steht hinter ihr. Gefährliche Personen, die auch vor Mord nicht zurückschrecken, was ich ja leider mit eigenen Augen gesehen habe. Für mich ist René grundlos gestorben. Drei Kugeln haben ihn getroffen. Ich nehme an, daß es auch drei Mörder gibt. Jeder hat einmal auf ihn gefeuert.« Bloch schüttelte sich, als hätte man ihn mit Wasser besprenkelt. »Für mich steht nur fest, daß es um
Weitere Kostenlose Bücher