1032 - Baphomets Monster
Ducroix konnte es auch nicht fassen, daß er das Ende seines Lebenswegs erreicht haben sollte.
Er schüttelte den Kopf.
Mitten in der Bewegung traf ihn die erste Kugel. Der Sprecher hatte geschossen, und es war aufgrund des perfekten Schalldämpfers so gut wie nichts zu hören gewesen.
Nur der Aufprall war fürchterlich. René spürte ihn irgendwo in der Brust. Er sackte zusammen, fiel zur Seite, als ihn die zweite Kugel wie ein Hammerschlag traf und ihn beinahe wieder aufrichtete.
Die dritte Kugel schleuderte ihn zu Boden.
Schwer wie ein Brett fiel er in den Staub. Drei Einschüsse zeichneten seinen Körper, wobei ihn die letzte Kugel genau zwischen die Augen getroffen hatte.
Die drei Mörder waren zufrieden. Sie tauschten Blicke. Niemand von ihnen kümmerte sich darum, ob der Mann auch tatsächlich gestorben war. Sie waren sich ihrer Sache sicher und ließen ihre Waffen verschwinden.
Obwohl es verdammt schwül war, behielten sie auch jetzt die Kapuzen auf den Köpfen. Sie flüsterten miteinander, als wollten sie darüber diskutieren, was sie in der nahen Zukunft vorhatten.
Ein paarmal fiel das Wort »Kirche« und »Baphomet«. Sie sprachen auch darüber, wie wichtig die Dunkelheit der Nacht für sie war, um dort alles in Bewegung zu setzen.
»Gab es da nicht noch einen zweiten?«
»Ja, diesen älteren Mann.«
»Was ist mit ihm?«
»Wir sollten ihn töten.«
»Jetzt?«
»Nein, die Zeit ist knapp.«
»Könnte er uns gefährlich werden?«
Niemand wußte eine Antwort. Sie einigten sich darauf, ihn umzubringen, falls er ihnen in die Quere kam, und sie sprachen auch davon, daß die folgende Aktion die wichtigste überhaupt war. Denn erst dann waren die Vorbereitungen beendet.
So wurden sie sich einig.
Sie waren lautlos gekommen, und ebenso lautlos verschwanden sie auch wieder.
Zurück blieb ein Toter. Doch Gewissensbisse verspürte keiner von ihnen…
***
Es hatte lange gedauert, bis der Abbé den alten Renault erreicht hatte. Auch dann ging er nicht schnell darauf zu, sondern wartete erst einmal ab und hockte sich in seiner Nähe nieder, um ihn und die Umgebung beobachten zu können.
Es war still – zu still, denn eigentlich hätte René Ducroix auf ihn warten sollen. Er stand nicht außerhalb des Fahrzeugs und hielt sich auch nicht in seinem Innern auf, das hatte der Abbé trotz der nicht geringen Entfernung schon erkennen können.
Nachdem er eine Weile in einer günstigen Deckung gewartet hatte und keine Veränderung in der Umgebung des Autos hatte feststellen können, verließ er seinen Schutz.
Noch immer geduckt und auch sehr mißtrauisch schlich er näher an das Auto heran. Er wußte, daß hier etwas Schreckliches geschehen war, denn die feucht gewordene Erde atmete Blut aus.
Ja, Blut…
Ein widerlicher Geruch, den er wahrnahm. In seiner Phantasie malte er sich die schrecklichen Dinge aus, doch sie wurden von dem übertroffen, was den Namen Wirklichkeit trug.
Beinahe wäre er über den bewegungslosen Körper gestolpert, der rücklings am Boden lag.
Bloch wurde zur Wachsfigur. Er brauchte keinen zweiten Blick, um erkennen zu können, wer dort lag und sich nicht mehr regte. Es war René Ducroix, und er war tot.
Der Abbé spürte die Trauer. Sie kam über ihn wie eine Hypnose.
Plötzlich konnte er an nichts mehr denken, er wußte nicht einmal, wo er sich befand. Er starrte nur in dieses schreckliche, von einer Kugel entstellte Gesicht.
Irgendwann sprach er wieder. Seine eigenen Worte waren ihm nicht verständlich. Und als er sich schließlich gefaßt hatte, da drückte er René Ducroix die Augen zu, hob die Arme an und legte die Hände auf seinen Körper, so daß sie ein schiefes Kreuz bildeten.
Danach sprach der Abbé ein Gebet. Er flüsterte die einzelnen Worte, die ihm wie von selbst über die Lippen drangen, als hätte er einen Befehl bekommen.
Wie er den steifen Körper in den Renault bekommen hatte, wußte er selbst nicht zu sagen. Wie aus einem bösen Traum erwachend fand sich der Abbé hinter dem Lenkrad sitzend wieder. Mit Augen wie aus Glas starrte er durch die schmutzige Windschutzscheibe.
Auch wenn es nicht dunkel gewesen wäre, er hätte in diesem Fall nichts erkannt, denn seine Sinne waren so gut wie ausgeschaltet.
Auch an die Zeit konnte er nicht mehr denken. Sie rann dahin, und ihm fiel nicht einmal ein, daß auch er sich in großer Gefahr befinden könnte.
Die Trauer und der Schock hielten noch an. Hinzu kamen die Vorwürfe, den Freund allein gelassen zu haben.
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