1033 - Schlangenfluch
einen Blick in seine Augen werfen. Mich zumindest erinnerten sie an geschliffene Metallplatten, so kalt und ohne Gefühl.
Er schloß die Tür hinter uns, schaltete allerdings nicht das Licht ein. In einer locker wirkenden Pose blieb er stehen. Bevor er uns ansprach, drückte er sein Kinn vor. »So, Sie sind bei mir, obwohl ich es nicht wollte. Was kann ich für Sie tun?«
»In Ihrem Zimmer liegt ein Toter, Mr. Gilmore.«
»Meinen Sie?«
»Wir haben ihn gesehen!« behauptete ich.
Er lächelte nur. Dann wollte er unsere Namen erfahren, die wir ihm auch nannten. Er dachte nach, hob die Schultern und meinte:
»Da Sie schon einmal hier sind, können wir ja ins Wohnzimmer gehen, damit Sie sich den Toten ansehen. Ich darf vorgehen?« Er lächelte, und auch seine Stimme hatte falsch geklungen.
Wir folgten ihm auf dem Fuß. Auf mich wirkte er nicht unsicher.
Eher wie ein Mann, der genau wußte, was er wollte. Ich rechnete damit, daß wir es noch mit einem unbequemen Gegner zu tun bekommen würden.
Im großen Wohnzimmer war es tatsächlich düster, und das lag an den leicht abgedunkelten Scheiben. Gilmore ging nach rechts. Zielstrebig führte er uns auf den Toten zu und blieb neben ihm stehen.
Auch wir stoppten. »Ja, das ist er.«
»Möchten Sie hier kein Licht machen?« erkundigte sich Suko.
»Doch, natürlich, entschuldigen Sie.« Er ließ uns allein. Viel mehr brachte das Licht auch nicht. Zumindest sahen wir den Mann jetzt besser, der auf der Seite lag und im Tod sehr verkrampft wirkte, als hätte er seine Beine und auch seine Schultern angezogen. Wir sahen sein Gesicht jetzt besser. Er sah verunstaltet aus. Aufgedunsen, bläulich schimmernd, mit einem offenen Mund, vor dessen Lippen Schaum stand. Der Mann trug dunkle Kleidung, und er sah aus wie ein Mensch, den das Schicksal urplötzlich erwischt hatte.
Eine Schuß- oder Stichwunde konnten wir an seinem Körper nicht feststellen. Es war auch kein Blut zu sehen. Wir als Laien waren nicht in der Lage, herauszufinden, wie er letztendlich ums Leben gekommen war.
Gilmore gesellte sich wieder zu uns. Er war geschlichen, wir hatten ihn kaum gehört. Die Hände hielt er auf dem Rücken verschränkt. Provokant schaute er uns an. »Sie werden mich jetzt fragen, wie der Tote hier in mein Haus kommt, nicht wahr?«
»Das hatten wir vor«, bestätigte Suko.
»Ich gebe Ihnen auch eine Antwort.« Gilmore streckte die Hand aus und deutete auf die Leiche. »Er ist ein Schmarotzer gewesen. Ein verdammter Einbrecher, den es erwischt hat. Er hätte damit rechnen müssen, wenn er uneingeladen mein Haus betritt.«
Ich drehte Gilmore den Kopf zu. »Reagieren Sie bei allen Menschen so, die Sie nicht eingeladen haben?«
»Nein, ich nicht.«
»Wer dann?«
Er lächelte nur. Dieses Lächeln bewies uns, daß er mehr wußte und die Fallstricke, in denen wir uns verfangen sollten, bereits gelegt worden waren. »Es sind meine Freunde, die es für mich übernehmen.«
»Und nicht nur bei diesem Toten – oder?«
»Das kann man so sagen.«
»Auch bei fünf anderen?« fragte Suko genauer.
»Durchaus möglich.«
»Es sind fünf Menschen in der letzten Zeit gefunden worden, die durch Schlangenbisse getötet wurden. Mein Kollege und ich könnten uns vorstellen, daß hier ein sechster liegt.«
»Wenn Sie das so sehen, haben Sie nicht unrecht. Alle, die mich störten, sind auf diese Art und Weise ums Leben gekommen. Ich kann es mir einfach nicht leisten, von anderen Seiten hintergangen zu werden, die mich dann bei meiner großen Aufgabe stören.«
»Gilt das auch für uns?« fragte ich.
Peter Gilmore sagte nichts. Trotzdem antwortete er auf eine bestimmte Art und Weise, mit der wir sicherlich nicht gerechnet hatten. Er bewegte seine Lippen, spitzte sie dann und verzog zugleich den Mund. Auch ein kleines Kunststück. Aus dem Mund drangen Laute hervor, die sich nicht eben menschlich anhörten. Ein leises Pfeifen und Zischeln, als wollte er irgend etwas nachahmen.
Zu sehen war noch nichts. Nur die Gefahr verdichtete sich. Etwas passierte, während der Mann die lockenden Laute ausstieß. Bereits nach den ersten Tönen war ich nicht mehr ruhig auf meinem Platz stehengeblieben und hatte mich nach rechts gedreht. Zugleich schaute ich zu Boden und auch zurück.
Suko war ebenfalls nicht still geblieben. Er sah in eine andere Richtung, und wie auch ich mußte er die schattenhaften und schnellen Würmer sehen, die über den Steinboden glitten. Leider waren es keine Würmer, sondern Schlangen.
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