1036 - Die Psychonauten-Hexe
Hansen hatte ihre wahre Bestimmung nie in den Vordergrund gedrängt. Um ihren Namen drehten sich meine Gedanken. Er kam mir immer wieder in den Sinn. Ich hatte einfach das Gefühl, als könnte Dagmar uns zumindest auf den Weg zur Lösung bringen.
Aber sie war nicht zu erreichen, ebenso wenig wie Harry Stahl.
Urlaub, den ich ihnen auch gönnte. Nur nicht ausgerechnet in diesen Tagen, an denen sich einiges zusammenbraute.
Ich schloß das Fenster wieder, denn die Anzahl der Tropfen nahm drastisch zu. Dann betrat ich das Bad und stellte mich unter die Dusche. Danach zog ich bequeme Klamotten an und schaute noch kurz in die Glotze. Ich hatte einen Nachrichtensender eingeschaltet. Es wurde wieder viel geredet und versprochen, aber was letztendlich davon eingehalten wurde, stand auf einem anderen Blatt. Da konnten sich die Politiker drehen und wenden wie Fahnen im Wind.
Immer wenn ich allein war und durch nichts mehr abgelenkt wurde – die Glotze hatte ich wieder ausgeschaltet – kamen mir meine verstorbenen Eltern in den Sinn.
Auch sie waren auf brutale Art und Weise ermordet worden. Mir war es noch immer nicht gelungen, die Hintergründe ihres Todes vollständig zu klären. Daß da noch etwas existierte, war mir klar. Da brauchte ich nur an die Augen meines Vaters zu denken, deren Farbe sich so erschreckend verändert hatte. Irgendwann würde ich das Rätsel um seine Person lösen, und wenn ich mich ganz allein auf den Weg machte und mich für eine Weile aus meinem Job ausklinkte.
Shao wartete sicherlich mit dem Essen. Ich wollte nicht zu spät erscheinen, deshalb verließ ich die Wohnung und ging die paar Schritte bis nach nebenan.
Als Gast klingelt man, was ich auch tat. Suko öffnete. »Ah, da bist du ja.«
»Wieso?«
»Ich wollte dich gerade anrufen.«
Mein Grinsen fiel schwach aus. »Du weißt doch, daß ich immer rieche, wenn ich verwöhnt werden soll.«
»Das sehe ich auch so. Komm rein.«
Es roch wirklich angenehm, und mir rann das Wasser im Mund zusammen. Der Tisch war bereits gedeckt. Darauf stand die Warmhalteplatte mit dem Wok, aus dem sich jeder bedienen konnte. Zum chinesischen Risotto gab es den vorzüglichen Wein, von dem ich zuvor einen Schluck nahm und angenehm überrascht war.
Noch besser schmeckte mir das Essen, denn es war süß und scharf zugleich. Ich kannte es noch nicht. Beide waren wir zufrieden und lobten die Köchin entsprechend.
Shao wurde etwas verlegen, ansonsten freute sie sich natürlich über unsere Komplimente. Während des Essens sprachen wir nicht über den Fall, danach schon. Auch Shao, die mittlerweile eingeweiht war, glaubte daran, daß möglicherweise Dagmar Hansen uns weiterhelfen könnte.
»Wenn wir sie erreichen«, schränkte ich ein.
»Irgend jemand muß doch wissen, wo sie Urlaub machen. Ob in den Bergen, an der See, im Süden…«
Das Tuten des Telefons unterbrach sie. Suko saß dem Apparat am nächsten und hob ab.
Shao und ich hatten beide das Gefühl, einen Anruf zu erleben, der uns alle anging. Wir brauchten nur in Sukos Gesicht zu schauen, da wußten wir Bescheid.
»Ja, Sir, es ist gut. Ich werde es ihm sagen. Dann kann man nichts mehr machen.«
»Was ist denn?«
Suko schaute mich an und auch den Hörer. »Pech gehabt, John, dieser Grieche ist tot.«
»Was? Hasikis?«
»Ja, er.«
Ich atmete tief durch. Shao saß wie versteinert an ihrem Platz.
»Und? Wie ist das möglich gewesen?«
Mein Freund hob die Schultern. »Selbstmord«, erklärte er. »Sir James sagt, daß er sich umgebracht hat.«
»Das geht so einfach?« flüsterte Shao.
»Ja, denn Hasikis hat eine im Mund versteckte Zyankalikapsel zerbissen. Es ging alles blitzschnell.«
»Scheiße«, sagte ich nur…
***
Dagmar Hansen schüttelte den Kopf, als sie die Einfahrt zum Kleinwalsertal erreicht hatten.
»Was hast du?«
»Schau dich um, Harry. Ein herrliches Wetter. Urlaub total, und wir sind wieder einmal unterwegs, um irgendwelchen Phantomen nachzulaufen.«
»Die aber real werden können.«
»Das ist leider wahr.«
»Was hältst du von der Geschichte?«
Dagmar seufzte. »Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube sie. Da ist etwas aus der Vergangenheit wieder hervorgetaucht, und das habe nicht nur ich gespürt, sondern auch diese Jamina. Warum sonst hätte sie ihr Haus dort bauen sollen, wo vor langer Zeit diese Hexe verbrannt worden ist? Kannst du mir das sagen?«
»Nein. Das werden wir aber sie fragen.«
»Falls sie uns einlässt.«
»Du glaubst nicht daran?«
Dagmar hob
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