1036 - Die Psychonauten-Hexe
wenn es ihm besser geht«, hörten wir Sir James noch sagen, bevor er wieder das Vorzimmer betrat.
»Wie schwer sind die Verletzungen?« erkundigte ich mich.
»Nun ja, wie zuvor. Die Wunden sind wieder aufgebrochen. Sie werden sicherlich noch mit ihm reden wollen.«
»Das auf jeden Fall.«
»Vor morgen früh wird das nichts.«
Das sahen wir auch so. An Feierabend war noch nicht zu denken.
Ich hatte meinem Freund Chief Inspector Tanner versprochen, bei ihm vorbeizufahren, auch um ein Zeugenprotokoll zu unterschreiben. Ob er noch im Dienst war, wußte ich nicht, deshalb rief ich sicherheitshalber bei ihm an.
Er hob ab. »Ach ja, du bist es. Gerade wollte ich gehen und dich dabei verfluchen. Habt ihr den Killer schon verhört?«
»Ja. Und es ist nichts dabei herausgekommen. Er schweigt wie das berühmte Grab.«
»Das habe ich mir gedacht. Wer so etwas tut, hat nichts mehr zu verlieren. Er muß doch damit gerechnet haben, daß man ihn stellen würde. Trotz allem glaube ich nicht, daß es die Tat eines Verrückten ist. Da steckt mehr dahinter.«
»Er hat sich zudem noch einmal verletzt. Deshalb werden wir ihn morgen zum zweitenmal verhören. Habt ihr nochetwas herausgefunden, das wichtig sein könnte?«
»Nein, nicht über ihn. Nur den Namen, das ist alles, John. Es tut mir leid.«
»Ja, mir bald auch«, gab ich stöhnend zu.
»Die Tote werden wir noch obduzieren. Auf das Ergebnis müssen wir ebenfalls warten.«
»Morgen?«
»Ich denke schon.«
»Gut, dann hören wir wieder voneinander.« Ich legte auf und hob die Schultern. »Ja, so Leid es mir tut, Sir, uns sind die Hände gebunden. Wir finden keinen Ansatzpunkt.«
»War da nicht dieser Leonidas?«
»Bill ging davon aus.«
»Ich habe daran gedacht, mich mit den griechischen Kollegen in Verbindung zu setzen. Möglicherweise weiß man in seiner Heimat mehr über sein Verbleiben.«
»Es wäre eine Möglichkeit. Mittlerweile sind einige Jahre vergangen. Er könnte sich wieder erholt haben. Seine Machtgelüste werden ihm nicht vergangen sein.« Er hob die Schultern. »Bis wir jedoch eine Antwort bekommen, ist die Nacht auch schon vergangen, schätze ich. Sie könnten jetzt Feierabend machen.«
»Das hatten wir auch vor«, bestätigte ich. »Aber wissen Sie, mit welchen Gefühlen wir fahren?«
»Das kann ich mir denken, John. Sie sind Erfolge gewohnt. Jetzt treten Sie auf der Stelle.«
»Ja. Und hinzu kommt das Wissen, von einem anderen abhängig zu sein. Eben von diesem Killer.« Ich ballte die rechte Hand zur Faust. »Das macht mich fast wahnsinnig.«
Suko drängte mich zur Tür. »Komm mit zu uns, John. Shao wird was Gutes kochen. Da kannst du dich entspannen.«
»Keine schlechte Idee«, sagte Sir James lächelnd. »Sollte sich etwas ergeben, mich können Sie im Club erreichen.«
»Viel Spaß, Sir.«
»Danke.« Suko und ich verließen das Vorzimmer, nachdem wir uns noch von Glenda verabschiedet hatten.
Zumindest meine Laune hatte sich kaum gebessert, und das sah Shao mir auch an. Sie stand vor mir, blickte mir ins Gesicht und schüttelte dabei den Kopf. »Wie groß ist denn die Laus, die dir über die Leber gelaufen ist, John?«
»Elefantengroß.«
Sie lächelte. »Dann könnte ich dafür sorgen, daß es dir wieder besser geht. Ich habe ein wunderbares Reisgericht gekocht. Dazu werden wir einen Wein trinken, dessen Trauben ebenfalls in China wachsen. Ich habe die Flaschen zufällig in einem Spezialgeschäft entdeckt. In einer Stunde ist das Essen fertig.«
»Dann komme ich wieder. Ich möchte nämlich noch kurz duschen.«
»Wie du willst.«
In meiner Wohnung war es leer und auch ziemlich kühl, denn ich hatte die Heizkörper noch nicht eingestellt. Dennoch öffnete ich das Fenster und schaute hinein in die Dunkelheit und zu einem Himmel, über den tiefliegende Wolken hinwegschwebten. Sie waren regenschwer und entließen bereits ihre ersten Tropfen. Der Wind wehte sie mir wie kleine, kalte Kieselsteine gegen die Gesichtshaut.
Ich sah mich nicht gerade in guter Form. Ich war sauer und einfach frustriert. Man hatte uns praktisch an der Nase herumgeführt, und das wiederum frustete mich.
Die Psychonauten und deren Umfeld waren sowieso ein sehr sensibles Thema. Sie gehörten zu einer Gruppe Menschen, die zwar nicht im Verborgenen existierten, aber sie drängten sich auf der anderen Seite auch nicht danach, in die Öffentlichkeit zu treten. Sie blieben lieber im Verborgenen und versuchten, allein mit ihrem Erbe fertig zu werden. Auch Dagmar
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