1038 - Der Seelen-Kerker
und rollten sich, so daß unsere Blicke mal auf die vorderen und dann wieder gegen die rückwärtigen Seiten fielen. Als wären diese Schädel Fußbälle, mit denen man machen konnte, was man wollte.
Die Gestalt hob das rechte Bein!
Es war wie ein Startschuß. Nicht allein nur für die alten Knochenschädel, von denen einige durch die Bewegungen in die Höhe gedrückt wurden wie Fußbälle, gegen die ein Spieler gekickt hatte. Sie lösten sich aus der Masse, fielen wieder zurück und prallten gegen die anderen Totenköpfe, die dies nicht mehr vertrugen und nicht nur Risse bekamen, sondern auch zerplatzten.
Die Gestalt ging jetzt aus der Mulde. Ihr erster Schritt war getan, sie würde auch weitergehen, und das wußte auch der Mann, der diese Szene filmte.
Für ihn war das Ende der Fahnenstange erreicht. Diese schaurigen Szenen zu filmen, hatte ihn bereits zuviel Nerven gekostet. Er war nicht mehr in der Lage, die Kamera zu halten und weiterhin seiner Arbeit nachzugehen.
Nur weg!
Plötzlich wackelte das Bild. Es geriet in hektische Bewegungen.
Der Mann konnte seine Kamera nicht mehr ruhig halten, und er wollte es auch nicht, denn er war von Angst und Panik erfüllt. Er dachte nur noch an Flucht.
Was in den folgenden Sekunden über den TV-Schirm flimmerte, waren abgehackte Bilder. Sequenzen, Ausschnitte, wie schnell vorbeilaufende Schatten, die irgendwann in einem Grau endeten und in viel Schnee.
Aus, der Film war beendet!
Das wußte auch der Abbé. Er drückte auf den entsprechenden Knopf und ließ einen leeren Bildschirm zurück. »Das also habe ich euch zeigen wollen«, sagte er und schaltete auch den Recorder aus, als wollte er eine Zäsur machen…
***
Suko und ich sagten zunächst nichts. Wir saßen stumm in unseren Sesseln und standen noch immer unter dem Eindruck des Erlebten.
Es war wirklich ein Hammer gewesen, und wir beide mußten einfach davon ausgehen, daß wir einen echten Streifen erlebt hatten. Etwas anderes hätten wir dem Templer auch nicht zugetraut.
Der Abbé ließ uns zunächst in Ruhe. Es war nett von ihm, uns die Gelegenheit zum Nachdenken zugeben, denn das brauchten wir. Ich merkte erst jetzt, daß mir der Schweiß auf der Stirn stand und empfand es in diesem großen Raum plötzlich als zu warm.
Daß Suko sich bewegte, war zu hören, denn das Leder seines Sessels gab die entsprechenden Geräusche ab. Er drehte sich so, daß er Bloch anschauen konnte. Ich stellte inzwischen die Kaffeetasse wieder zurück, denn ich hatte meine trockene Kehle einfach anfeuchten müssen.
»Ich weiß, was du fragen willst«, sagte der Abbé. »Aber du kannst dir die Worte sparen. Dieser Film ist echt. Es gibt die Gestalt, die aus der Knochengrube hervorgekommen ist. Es gibt sie so, wie es John, dich und mich gibt.«
»Ja«, sagte Suko. »Schließt sich die Frage an, wo sie sich jetzt aufhält.«
»Ich weiß es nicht.«
»Was ist mit diesem Alexandre Capus?«
Bloch hob die Schultern. »Der weiß es ebenfalls nicht, denke ich mir jedenfalls.«
Sofort wurde Sukos Blick wachsamer. »Warum denkst du dir das nur? Das muß einen Grund haben.«
Bloch nickte. »Ich habe versucht, mich mit ihm in Verbindung zu setzen, aber er hat sich nicht gemeldet.«
»Lebt er hier in Paris?«
»Ja. Aber es war nutzlos.«
»Was schließt du daraus?«
Bloch holte seufzend Luft. »Daß er nicht unbedingt mehr am Leben sein muß. Aber es gibt eine Hoffnung«, sprach er weiter. »Er hat sich zwischendurch mit mir in Verbindung gesetzt. Das war vor zwei Tagen. Nur weiß ich leider nicht, von wo aus er angerufen hat. Das kann Paris gewesen sein, muß es aber nicht. Auf meine entsprechende Frage hin hat er mir keine konkrete Antwort gegeben. Seiner Stimme war zu entnehmen, daß er unter großer Angst litt. Er fürchtete sich vor dieser Ausgeburt der Hölle.« Bloch hob beide Hände, als wollte er seinen Würfel des Heils halten. »So etwas spürt man einfach.«
»Was bleibt uns?« fragte Suko.
»Zumindest die Hoffnung und auch dieser Videofilm, den er als sein Erbe mitgebracht hatte.«
Ich hatte lange geschwiegen. Mir war vieles durch den Kopf gegangen, auch die Fragen, die mittlerweile schon von Suko gestellt worden waren. Die Tasse war leer, ich schenkte Kaffee nach und wandte mich an unseren Freund Bloch.
»Bisher haben wir nur von Monsieur Capus gesprochen. Was aber ist mit dieser Gestalt aus der Knochengrube? Wer ist sie? Wer verbirgt sich dahinter? Als was hat sie schon einmal gelebt? Kannst du uns da
Weitere Kostenlose Bücher