1038 - Der Seelen-Kerker
denn, daß wir kommen?«
»Von wollen kann nicht die Rede sein, John. Zumindest weiß er nicht, daß wir zu dritt sind. Gegen meinen Besuch hat er bestimmt nichts einzuwenden.«
»Wir werden dich trotzdem begleiten!« sagte Suko.
»Das hoffe ich doch stark.«
Ich war schon auf dem Weg zur Tür. »Dann kommt. Wir dürfen keine Sekunde mehr verlieren.« Es drängte mich plötzlich, das Haus zu verlassen, denn tief in meinem Innern wußte ich, daß sich die Dinge verdichteten. Außerdem stand ich noch zu sehr unter dem Eindruck des Films, der eine Wahrheit gezeigt hatte, die böse und tödlich enden konnte…
***
Alexandre Capus legte den Hörer auf. Er starrten den feuchten Schweißfleck an, der auf dem Kunststoff zurückgeblieben war. Er wollte es nicht, aber er dachte über den Schweiß nach, der für ihn in der letzten Zeit zu einem nicht abreißend wollenden Begleiter geworden war. Geschwitzt hatte er stark. Allerdings nicht wegen der Wärme, sondern einzig und allein aus Angst.
Ja, der Angstschweiß, der auch jetzt, in seiner vertrauten Umgebung, nicht weichen wollte. Er klebte überall am Körper. Auf der Stirn, den Wangen, den Handflächen, in den Achselhöhlen. Er war einfach da. Wie kalter Klebstoff.
Capus schaute sich um.
Es war seine Wohnung. Daran gab es nichts zu rütteln. Er hatte sie auch so vorgefunden, wie er sie verlassen hatte. Ohne die geringste Veränderung. Niemand war in der Zwischenzeit eingedrungen und hatte sie durchsucht. Und doch spürte er die Angst. Eine tiefe Unsicherheit, die er sich aus der momentanen Situation nicht erklären konnte. Hier in seinen eigenen vier Wänden war er sicher. Das war nicht mit der finsteren Umgebung der Höhle und des alten Kerkers zu vergleichen, auch wenn die Wohnung vom Aussehen her nicht eben in eine Fachzeitschrift für schönes Wohnen gepaßt hätte.
Er hatte einen wichtigen Schritt nach vorn getan. Er hatte mit dem Abbé Kontakt aufgenommen, und Alexandre wußte, daß er sich auf den Templer verlassen konnte. Dieser Mann ließ keinen Menschen im Stich. Er würde ihn beschützen, er würde alles versuchen, um ihn herauszuhalten, das wollte er ihm nicht absprechen. Dennoch fragte sich der jüngere Mann, ob Bloch dazu überhaupt in der Lage war. Er war kein Kämpfer. Das kam in seinem Alter nicht mehr in Frage. Bloch gehörte zu den Taktikern, zu den Wissenden, die anderen Ratschläge gaben. Trotzdem konnte er es nicht lassen, an vorderster Front immer wieder mitzumischen.
Das war nobel von ihm, allerdings auch gefährlich. Capus stellte sich vor, was geschehen würde, wenn Bloch plötzlich dieser Ausgeburt der Hölle gegenüberstand. Einem riesigen Gebilde, das längst hätte tot sein müssen, aber trotzdem lebte.
Nicht auszudenken. Nie – niemals würde er es schaffen, dieses Untier zu vernichten. Auch Capus traute sich dies nicht zu. Er war noch jetzt heilfroh, dem Kerker entwischt zu sein.
Okay, er hatte sich bei einem Bekannten im Elsaß versteckt gehalten. Ruhe hatte er dort trotzdem nicht finden können. Immer wieder war bei ihm die Furcht vor einem plötzlichen Erscheinen dieser höllischen Kreatur hochgekommen. Er fühlte sich verfolgt. Den heißen Atem eines Monsters im Nacken.
Auch diese Wohnung war für ihn nicht sicher. Er wollte weg. Vielleicht wußte der Abbé eine Möglichkeit. Gut wäre es auch gewesen, wenn Bloch ihn mit nach Südfrankreich genommen hätte. Nach Alet-les-Bains, eben zu den Templern, die dort ihren Stützpunkt errichtet hatten. Das wäre ideal gewesen. Bisher hatte er den Abbé noch nicht darauf angesprochen. Aber er würde es tun.
Sicherlich war Bloch schon unterwegs. Capus rechnete sich aus, wie lange es wohl dauern würde, bis der Templer bei ihm eintraf.
Paris war wieder einmal dicht. Mindestens eine Stunde würde vergehen, wenn nicht noch länger. Die Zeit wollte er nutzen und noch einige Unterlagen in seinen Koffer packen, den er neben der Tür abgestellt hatte. Der Koffer hatte ihn auch auf seiner Reise ins Elsaß begleitet.
In der Wohnung war es still. Capus hörte nur seine eigenen Tritte, als er auf das Fenster zuschritt, hinausschaute und seinen Blick über die Dächer von Paris gleiten ließ. Es war etwas zu viel gesagt. Von seinem Ausgangspunkt sah er nur einige wenige Dächer, und die hätten eine Renovierung wirklich nötig gehabt. Manche von ihnen sahen aus wie ein schlechter Flickenteppich. Er sah die Antennen, die schlank in den Himmel ragten. Er sah die Kamine, die ihm plötzlich so
Weitere Kostenlose Bücher