1038 - Der Verräter von Kran
Überzahl von Mousuren. Der Nestcomputer flutete die betroffenen Räume mit Narkogas und schläferte die Parteigänger von zwei Herzögen ein.
„Mshica!" bellte es aus einem Lautsprecher.
Beide Ais wandten ihre Aufmerksamkeit dem Interkomschirm zu.
„Kommandant Aljaka. Was sollen wir tun? Welches Programm?" rief Njaugon und strapazierte seine Gewebefalten.
„Wartet zehn Minuten. Wir haben zu tun."
Njaugon signalisierte zurück: „Verstanden."
Er ließ seine Hände sinken und betrachtete schweigend einen Monitor nach dem anderen. Der Computer besaß den Überblick, aber er war im Augenblick nicht in der Lage, alle Informationen über den Zustand von mindestens zweihundert verschiedenen Räumen weiterzugeben.
Einige Anlagen waren ausgefallen. Um größere Schäden in diesen leeren Sektoren zu verhindern, waren diese Bezirke abgesperrt worden, Ging diese Entwicklung weiter, dann wurde die Gefahr größer, daß tatsächlich schwere Schäden das Nest halbwegs ruinieren konnten.
In der folgenden Zeit erkannten die zwei Ais, daß sich praktisch alle Besatzungsmitglieder in die Auseinandersetzung einmischten. Abgesehen von den zwergenhaften Borxdannern, die fürchten mußten, in einem Kampf oder einer hitzigen Meinungsverschiedenheit den Tod zu finden. Sie waren zu klein und zu wenig kräftig, um erfolgreich zu kämpfen. Aber sie versuchten, ihre Kontrahenten zu ärgern, indem sie wichtige Anlagen von deren Quartieren zerstörten. Der Computer hatte diesem Teilaspekt noch nicht die volle Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Die Tart-Kommandos waren in allen Teilen des Nestes unterwegs und versuchten, Ruhe zu stiften.
Nach mehr als zehn Minuten wandte sich die Kommandantin an die beiden Programmierer.
„Wir müssen versuchen, das Chaos unter Kontrolle zu bringen. Fahrt das Programm ab, in dem die alten Freunde der Herzöge ihnen ernsthafte Vorhaltungen machen."
Njaugon signalisierte: „Alles klar. Ich starte!"
Er drückte einen Schalter. Unabhängig von den tausend Alarmlichtern und den heulenden Sirenen prallte die nächste, noch intensivere und schärfere Bildschirmdarbietung über die drei Herzöge herein.
Gestalten aus der Vergangenheit tauchten auf und klagten die Herzöge an. Für Gu, Zapelrow und Carnuum gab es jeweils ein andere Programm. Die Informationen stammten aus dem Wasserschloß, vom allwissenden Orakel. Die Vergangenheit streckte ihre Krallen aus und versuchte, die Herzöge in den Strudel längst vergessener Erkenntnisse zu ziehen.
Und noch immer war die Widerstandskraft der Kranen nicht gebrochen. Sie saßen, standen oder lagen in ihren Kabinen und hörten sich die Anschuldigungen an, ohne in Panik davonzustürzen und sich zu offenbaren.
*
Herzog Gu spürte, daß wieder der scheinbar massive Metallboden unter seinen Sohlen zitterte und vibrierte.
Er hatte nur noch ein Ziel: zu überleben, die Folter zu durchstehen, auf welche Weise auch immer, die nächsten Stunden seinen zwei Konkurrenten zu beweisen, daß er ebenso widerstandsfähig war wie sie oder noch stärker. Er wußte, daß ihn nur noch eine hauchdünne Grenze davor trennte, die Kontrolle zu verlieren und Dinge zu tun, die er nicht mehr vor sich verantworten konnte und die ihn ins Unglück stürzen oder töten würden.
Von den ersten Schocks hatte er sich inzwischen erholt. Die kurze Ruhepause hatte ihn mehr und besser gestärkt, als er es sich hatte vorstellen können. Jetzt ging es in die nächste Runde. Er hatte nicht die geringste Chance, diesem nackten, bösartigen Terror zu entkommen. Es sei denn, er würde den Freitod suchen.
Aber dafür gab es keinen Grund.
Er schuldete dem Orakel viel, aber nicht sein Leben. Wie er es immer wieder lautlos für sich selbst formulierte: er mochte Fehler begangen haben.
Eine Reihe von Gestalten erschien auf den großen Bildschirmen.
Es waren die Projektionen von Eltern und Freunden aus der Jugendzeit. Herzog Gu wußte, ohne es zu sehen, daß auch Zapelrow und Carnuum ein identisches Programm mit allerdings anderen Teilnehmern über sich ergehen lassen mußten. Jeder, der gleichsam als Bestandteil einer persönlichen Erinnerungs-Bibliothek erschien, richtete schwere Vorwürfe an den Herzog. Gu krümmte sich, als ihm sein eigener Vater berichtete, daß er schon in der frühesten Jugend sich seltsam genug verhalten hatte.
Seine Mutter löste den Vater ab und warf Herzog Gu ähnliche Verfehlungen vor. Einer der ersten wirklichen Freunde, schon längst tot, erschien auf einem Dutzend
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