1038 - Der Verräter von Kran
feinsten Nuancen meisterlich auszudrücken.
„Seit langer Zeit, in der ich in die Geschicke der Kranen eingreife", begann das Orakel geheimnisvoll, „hat es immer wieder Probleme und Zwischenfälle gegeben. Sie wurden gelöst, weil alle Kranen und unsere Hilfsvölker sich loyal verhielten und bemüht haben, schnell zu reagieren.
Vor geraumer Zeit tauchte ein Verdacht auf, der sich mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr aus der Welt schaffen ließ. Dieser Verdacht besteht noch jetzt. Viele einzelne Beobachtungen haben ihn erhärtet. Ich habe lange gezögert, diese Anschuldigungen auszusprechen, aber ich kann sie nicht zurücknehmen. Mag sein, daß sich der Verdacht als unbegründet herausstellt, aber es wird an euch sein, dafür zu sorgen. Entkräftet ihn!
Zeigt, daß meine Informationen falsch waren, und daß ich keinen Grund habe, euch zu mißtrauen. Ich, das Orakel, werde öffentlich zugeben, daß mein Verdacht falsch war...
... wenn es gelingt, ihn restlos zu entkräften.
Ich habe den Verdacht, daß einer der Herzöge ein Verräter ist. Er sympathisiert mit der sogenannten Bruderschaft, oder er arbeitet vielleicht sogar mit ihr zusammen."
Herzog Zapelrow fühlte, wie das nackte, eiskalte Entsetzen in ihm hochstieg. Er war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Die nächsten Worte des Orakels mußte er lautlos wiederholen, ehe er ihren Sinn begriff.
„Ich weiß nicht, welcher von euch, Gu, Carnuum oder Zapelrow, der wirkliche Verräter ist. Die Indizien deuten auf jeden von euch. Der Verdacht wiegt gleich schwer. Der Verräter ist zu geschickt und operiert mit viel zu großer Schlauheit. Ich habe bewußt bis heute geschwiegen und meinen Verdacht für mich behalten, aber ein Ereignis ist eingetreten, das mich zwingt, diese Maßnahmen zu ergreifen.
Das Schiff, das uns die Spoodies bringt, ist ausgeblieben.
Dieser Umstand ist von staatsgefährdender Größe. Ich brauche nicht zu erklären, was die Symbionten für Kran und die Expansion bedeuten."
Ciryak, der Überprüfer, war wie betäubt. Der Sinn der Worte, die er mithörte, wirbelte förmlich durch sein Bewußtsein. Er vermochte nicht zu glauben, was er hörte. Aber es war die Wahrheit, wie sie vom Orakel stets ausgesprochen wurde. Herzog Gu, Zapelrow oder Herzog Carnuum: Verräter! Es war undenkbar, unmöglich, unvorstellbar. Sein Verstand weigerte sich, die Konsequenz zu ziehen und zu akzeptieren, was das Orakel hier in leidenschaftsloser Klarheit aussprach. Er blinzelte auf den Beobachtungsschirm.
Blicke von absoluter Verständnislosigkeit trafen die Abbilder der Herzöge.
Das Orakel sprach weiter.
„Ich muß sicher sein, daß weder ein Anschlag auf den Wasserpalast stattfindet, noch daß versucht wird, Sabotageakte zu unternehmen. Aus diesem Grund ließ ich die drei Herzöge ins Nest der Ersten Flotte kommen. Sie werden dort so lange bleiben, bis alles aufgeklärt ist. Entweder stellt sich mein Vorwurf als Wahrheit dar, dann wird diese Wahrheit im Kranenreich bekannt werden. Oder die Vorwürfe sind gegenstandslos, dann werde ich die Herzöge voll rehabilitieren. Solange nicht die absolute Wahrheit ans Licht des Universums gekommen ist, wird keiner der Herzöge seinen Fuß wieder auf den Planeten setzen können. Mit dem herzoglichen Hofstaat und den Helfern wird keine Verbindung bestehen. Jede Minute der nahen Zukunft wird von mir genau beobachtet. Die Besatzung des Nestes hat Anweisung, bei der Entlarvung des Verräters mitzuwirken.
Die Bestrafung obliegt allein mir und meinen nachgeordneten Hilfskräften."
Die letzten Worte schienen im Raum nachzuhallen. Der Schirm zeigte blendendes Licht, dann das langsam verschwindende Zeichen des Orakels.
Herzog Carnuum hob die Arme und begrub seinen Kopf in den Klauen. Er schwieg, ebenso entsetzt wie die anderen. Plötzlich wirkte der riesige Krane gebrochen und um Jahrzehnte gealtert. Das Haar seiner weißen Mähne schien zusammenzukleben. Er stieß einen Seufzer aus, der wie ein Grollen klang. Dann sagte er hohl: „Ich bin ... fassungslos. Ein Verräter unter uns dreien - unmöglich. Dem Orakel sind falsche Informationen zugespielt worden. Es ist undenkbar."
Er stand auf und ging mit schleppenden Schritten zum Getränkebord. Mit ziellosen Bewegungen versuchte er, einen Becher mit irgendeinem alkoholischen Getränk vollzuschütten. Seine Klauen zitterten, die Krallen erzeugten auf dem kantigen Behälter und dem Becher klirrende Geräusche. Eine Flasche kippte und zerbarst schmetternd auf einer
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