1040 - Unheil über Kran
berührte.
Ohne Mühe schwang Carnuum sich hinauf. „Vorwärts!" gellte sein Befehl.
Das kleine Fahrzeug stieg steil in die Höhe und schoß davon. Die Menge in der Umgebung des herzoglichen Schwebers hatte den Vorgang beobachtet. Als sie sah, daß der Gleiter der Schutzgarde sich dorthin bewegte, wo die Kranen mit den Orakeldienern kämpften, brandete der Ruf auf: „Der Herzog kommt!"
Carnuum hatte das Steuer selbst in die Hand genommen. Aus der Höhe überblickte er das Gelände, auf dem der ungleiche Kampf stattfand. Er hielt darauf zu. Er, der Herzog, trug ständig eine Waffe. Er würde seinen unterlegenen Kranen zu Hilfe kommen - nicht als ungestümer Berserker, sondern in ruhiger, kühler Überlegung. Carnuum wußte genau, was er tat. Er mußte damit rechnen, daß sein Plan fehlschlug. Falls sich das Orakel als übermächtig erwies, dann mußte dafür gesorgt sein, daß die Schuld an der Revolte nur ihn, aber niemand sonst traf. Das, fand der Herzog, war er dem Volk von Kran schuldig.
Er steuerte den Schweber dicht über die Köpfe der aufgebrachten Menge hinweg. Bevor er absprang, rief er seinem blau uniformierten Begleiter zu: „Die Schutzgarde mischt sich nicht in diese Auseinandersetzung ein. Gib den Befehl weiter!"
Die Menge machte ihm bereitwillig Platz. Ein Schrei gellte: „Der Herzog ist mit uns!"
„Vorwärts!" schrie Carnuum.
Er hielt den Strahler schußbereit in der Hand. Die Körper Bewußtloser bedeckten den Boden; die Front der Orakeldiener war zehn Meter entfernt. Carnuum feuerte den ersten Schuß. Eine grelle Lichtbahn fuhr fauchend über die Köpfe der zwergwüchsigen Diener hinweg. Die Menge faßte neuen Mut. Mit bellendem Geschrei drang sie aufs neue vor.
Ein fahles Leuchten stach durch den Glanz der Nachmittagssonne. Das zornige Gesumm eines Schockers erhob sich über den Lärm der Angreifer. Carnuum blieb stehen, als sei er gegen ein unsichtbares Hindernis gerannt. Die linke Hand hob sich, griff zur Brust. Die Finger der Rechten öffneten sich und ließen die Waffe fallen. Ein Ausdruck ungläubigen Staunens erschien auf des Herzogs Gesicht.
Dann brach er bewußtlos zusammen.
*
Der Angriff geriet augenblicklich ins Stocken. Das Ereignis war von antiklimaktischer Wirkung. Das wilde Gebrüll verstummte; eher betreten als zornig versammelten sich die Kranen um den bewußtlosen Carnuum.
„Der Herzog ist gefallen!" erschallte ein Ruf und verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter der herandrängenden Menge. Die Nachricht erreichte schließlich auch den großen Schweber, auf dem sich das Gefolge des Herzogs befand. Weiksa ordnete an, daß sich das Fahrzeug in Bewegung zu setzen habe. Langsam schob es sich durch die Menge, die bereitwillig zurückwich, als sie das herzogliche Wappen am Bug des Schwebers erblickte.
Die Augenblicke des ersten Schocks waren vorüber. „Der Herzog ist gefallen", dieser Ruf war in aller Mund. Niemand schien zu wissen, daß Carnuum nur bewußtlos war, gefällt durch die Ladung eines Schockers. Gerüchte kreisten, wonach ein Strahlschuß abgefeuert worden war. Es fiel den Kranen nicht schwer, zu glauben, daß die Diener des Orakels ihren Herzog umgebracht hatten. Hatte er nicht selbst gesagt, daß er sich seines Lebens keine Sekunde mehr sicher fühle?
Es begann in der Menge zu brodeln. Die Auseinandersetzung war in eine neue Phase eingetreten. Die Millionen von Kranen, die sich eingefunden hatten, Herzog Zapelrow das letzte Geleit zu geben, den Beginn des neuen Jahres und die Rückkunft des Spoodie-Schiffs zu feiern, sahen Herzog Carnuum als Märtyrer, gemordet von den Lakaien des Orakels.
Einzelne Rufe wurden laut, wurden aufgegriffen und weitergegeben: „Stürmt den Wasserpalast! Nieder mit dem Orakel!"
Weiksa hörte sie und empfand Unbehagen. Ohne Carnuum an ihrer Seite fühlte sie sich hilflos. Sie kannte seinen Plan nicht, aber sie spürte, daß sich hier etwas anbahnte, was ihm in dieser Form nicht vorgeschwebt hatte, als er seine Rede hielt.
Als der Schweber den Ort erreichte, an dem Carnuum gestürzt war, ließ sie das Fahrzeug absetzen. Carnuum wurde an Bord genommen und auf die Polster gebettet.
Unter dem Gefolge befanden sich mehrere Ärzte. Sie untersuchten den Herzog und machten kurz darauf Weiksa die beruhigende Mitteilung, daß ihm weiter nichts fehle als ein gewisses Gleichgewicht des Nervensystems, das durch den Schocktreffer arg in Unordnung geraten war. Er werde in zwei bis drei Stunden wieder zu sich kommen und außer
Weitere Kostenlose Bücher