1040 - Unheil über Kran
Langur durch den leeren, hell erleuchteten Schacht glitt, spielten seine tentakelähnlichen Antennen und durchsuchten die nähere und weitere Umgebung nach Gefahrenzeichen. Langurs Wahrnehmungsvermögen war von ungewöhnlicher Sensitivität.
Es entging ihm so rasch nichts, vor allen Dingen nicht das gefährlichste aller Signale: die Impulse eines Roboters.
Dies war der fünfte Versuch, den er unternahm, das Schiff zu verlassen. Vor Stunden schon hatte er sich heimlich aus der Kommandozentrale zurückgezogen, nachdem klar geworden war, daß sich weder die Bildgeräte aktivieren noch die Funkstationen in Betrieb nehmen ließen. SENECA hatte das Schiff hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt.
Versuche der Mannschaft, zu einer der vielen Schleusen zu gelangen, waren von bewaffneten Robotern vereitelt worden. Die Roboter standen unter SENECAs Befehl und ließen keinen Zweifel daran, daß sie von den Waffen Gebrauch machen würden, falls man einen gewaltsamen Ausbruchsversuch unternahm.
Die Ungewißheit wurde für die Wartenden allmählich unerträglich. Niemand wußte, was außerhalb des Schiffes vorging. Es bestand keine Verbindung mit SENECA. Scoutie und Brether Faddon waren verschwunden. Wann erfolgte der Schlag gegen das Orakel? Wann wollte Surfo Mallagan seine Drohung wahr machen?
Wo eine Kompanie hünenhafter Kranen versagte, hatte Douc Langur sich überlegt, da gab es für einen einzelnen vielleicht noch eine Chance, besonders wenn er schmächtig war wie ein ehemaliger Forscher der Kaiserin von Therm.
Er hatte unbemerkt den Ringwulstbereich der SOLZELLE1 erreicht. Es gab zahllose kleine Schleusen, die aus dem Wulst hinaus führten; es war kaum denkbar, daß SENECA an jeder einen Roboter postiert hatte. Natürlich waren alle Schotte sorgfältig verriegelt und blockiert. Aber Douc Langur führte in dem Gürtel, der sich ihm um den Leib schlang, allerhand kompliziertes Mikrogerät mit sich. Er war zuversichtlich, daß es an Bord dieses Schiffes keine Verriegelung gab, die ihm auf die Dauer standhalten konnte.
Viermal hatte er umkehren müssen, weil er robotische Impulse empfangen hatte.
Diesmal, so schien es, sollte er Glück haben. Vom unteren Ausgang des Schachts führte ein schmaler Gang zu einem stählernen Schleusenschott. Es war einer der Ausgänge, wie sie von Reparaturrobotern oder sonst jemand, der draußen auf der Wulsthülle zu tun hatte, benützt wurden.
Der Gang war leer, die Entfernung betrug nur wenige Meter. Douc Langur empfand Erleichterung. Es würde ihm zu guter Letzt doch noch gelingen, die Kranen zu warnen.
*
Er sah nicht, wie Menschen sahen. Das Bild war ein binärer Raster, aus Millionen von Bits bestehend, und doch einfach. Er wußte genau, was er sah. Der Ort war, ebenfalls als Binärmuster, in seinem Gedächtnis verzeichnet.
Eine Bitgruppe bewegte sich. Er erkannte das fremde Wesen, das unterwegs an Bord genommen worden war - nach den drei Betschiden. Sensoren erzeugten ein zusätzliches Bild, als das Wesen sich an der Verriegelung zu schaffen machte.
Schon nach wenigen Millisekunden wußte er, daß es dem Wesen gelingen würde, das Schott zu öffnen. Er konzentrierte sich auf die reglose Form, die sich auf der anderen Seite des Schottes befand, in der eigentlichen Schleusenkammer.
Er mußte den richtigen Augenblick genau abpassen. Das Wesen war flink und wahrscheinlich bewaffnet. Ein Roboter dagegen, der aus dem Zustand der Inaktivität erwacht, brauchte rund eine Zehntelsekunde, um sich zu orientieren und seine Ansprechbarkeit wiederzuerlangen.
Das Schott begann sich zu bewegen. Für ihn war es ein überaus langsamer Prozeß, denn er war gewöhnt, in Zeiträumen von Nano- und Pikosekunden zu denken. Der Spalt war jetzt acht Millimeter weit.
„Robot - erwache!"
Er sagte es nicht in Worten, sondern in einer raschen Serie positronischer Impulse, die mit Lichtgeschwindigkeit hinab in den Ringwulst eilten und die kybernetische Steuerung des Roboters aktivierten.
Die Bestätigung kam binnen weniger Mikrosekunden. In Worte übertragen lautete sie: „Ich gehorchte, SENECA."
*
Es zischte leise, als die Verriegelung sich löste.
Dann drangen Robotimpulse auf seine empfindlichen Antennen ein, so deutlich, so intensiv, als kämen sie aus nächster Nähe.
Panik verwirrte Douc Langurs Verstand. Was hatte er falsch gemacht?
Was hatte er übersehen? Wo war der Roboter, dessen Impulse er empfing?
Das Schott öffnete sich. Dutzende winziger Sehzellen an den Enden
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